Ein Herz für Frauen in der Prostitution

19.03.2019
Image

Viele Prostituierte in Deutschland kommen aus dem Ausland. Manche kamen freiwillig, manche gelockt   von falschen Versprechungen und leider viele als Opfer des Menschenhandels. Die Frauen (und junge Männer!) kommen oft aus Osteuropa, aber auch aus Nordafrika und Asien. Viele von ihnen sind traumatisiert, haben nur eine geringe Bildung und fühlen sich einsam und ausgestoßen. Wie wertvoll ist es, wenn Christen diesen Menschen mit Liebe und Offenheit begegnen.

Einige unserer Freunde erzählen von ihrer Arbeit unter Prostituierten in Deutschland:

                                
        “Ohne Sie könnten wir diese Arbeit ja gar nicht machen!”

„Hallo, darf ich Sie mal kurz stören? Wir kommen von der evangelischen Kirche und möchten Ihnen die Adresse einer Beratungsstelle geben. Bei Fragen können Sie sich an sie wenden. Sie ist kostenlos und kommt auch zu Ihnen.“

So ähnlich beginnt Erik* jedes Mal, wenn er mit seiner Frau bei einem Bordell klingelt. Ihre Erfahrung ist, dass viele nicht wissen, dass es solche Hilfsangebote wie Solwodi gibt. Dann fragen sie freundlich nach der Herkunft der Frauen und bieten ihnen ein Neues Testament in ihrer Muttersprache an. Die meisten nehmen das Neue Testament sehr dankbar an. Manche haben Tränen in den Augen – etwas in ihrer Sprache ist wie ein Stück Heimat für sie. Manche bitten ihn um mehr NTs – für ihre Familien oder Kolleginnen.

Schon viele Jahre besuchen Erik und seine Frau Frauen im Rotlichtmilieu. Sie kennen die Unterkünfte, in denen die Frauen arbeiten, und werden auch von ihnen selbst auf dem Laufenden gehalten, wenn wieder neue entstanden sind. Für manche sind sie eine lebenswichtige Ermutigung: „Ich wüsste nicht, was ich sonst gemacht hätte, wenn ihr nicht ab und zu kommen würdet,“ sagte eine Frau, die völlig am Ende war.

Einer anderen konnten sie helfen, auszusteigen. Sie fragten sie nach ihrem erlernten Beruf. Sie war Köchin. „Mensch, bei uns werden Köche händeringend gesucht!“ ermutigten sie sie. Über den Verein Solwodi gelang ihr der Ausstieg und sie fand eine Anstellung als Köchin.

Oft sagen sie ihnen, dass Gott sie anders sieht. Dass er sie in seinem Ebenbild geschaffen hat. Sie erleben eine große geistliche Offenheit. Eine Frau begrüßt sie, als er sie nach ihrem Ergehen fragte, mit: „Heute Abend habe ich das Übergabegebet gesprochen!“ Neben den NTs und den 16-sprachigen Flyern von Solwodi verteilen sie auch das Programmheft von Bibel TV. Dieses Angebot nehmen die Frauen gern für ihre freie Zeit an.

„Ist ja schön und gut, dass wir das machen,“ sagt er am Ende des Gesprächs zu mir, „ohne Sie (damit meinen sie Orientierung: M) können wir diesen Dienst ja gar nicht machen. Wenn Sie die Bibeln nicht in so vielen verschieden Sprachen hätten – die meisten können ja kaum Deutsch!“

*Name geändert

Ein Herz für Frauen in der Prostitution

Anne* engagiert sich seit 3 ½ Jahren unter Frauen in der Prostitution. Sie gehört zu einem  Team aus drei Leuten: Zwei gehen in die Häuser und besuchen die Frauen; die dritte Person bleibt in der Nähe im Auto und betet.

Ihre spannende Geschichte hat sie uns erzählt:

“Als dieser Dienst in meiner Gemeinde vorgestellt wurde, wusste ich sofort: Da mach ich mit! Schon länger suchte ich eine Aufgabe – jetzt machte es ‘klick!’ bei mir.

Gott legte uns ein bestimmtes Bordell aufs Herz. Alle zwei Wochen besuchten wir es, drei Jahre lang, ohne großen „Erfolg“. Ab und zu wurden wir mal reingelassen, aber meistens blieb es bei einer kurzen, wenn auch guten Begegnung an der Haustür, bei der wir Blumen und Kuchen als Geste der Wertschätzung überreichten.

Die Resonanz war durchaus sehr positiv. Sie waren herzlich, wenn auch verschlossen. Natürlich war Misstrauen da: Warum kommen sie? Was wollen andere Menschen hier?

Gott arbeitet im Hintergrund

Drei Jahre sind eine lange Zeit. Wir sahen keinen „Fortschritt“. Frust und Enttäuschung machten sich breit. Bis mir klar wurde: Es geht nicht um mich, sondern um die Frauen. Ich brauche Geduld. Gott arbeitet im Hintergrund! Als mir das bewusst wurde, war die Enttäuschung wie weggeblasen und kam nicht wieder, trotz weiterer „erfolgloser“ Besuche.

Große Offenheit

Vor einem halben Jahr ging dann die Tür weit auf. Gott hat eine Mauer eingerissen. Wir werden jedes Mal eingeladen und bleiben ca. zwei Stunden. Echte Beziehungen entstehen. Sie merken, dass wir ihnen nur Gutes wollen.

Wir können offen über Gott reden. Wir geben ihnen von der Liebe weiter, die Gott uns für sie schenkt. Ich erlebe, dass Gott mein Herz mit Liebe für die Frauen füllt. Eine Frau löchert uns mit Fragen über Gott und Gemeinde. Sie erhält eine Bibel in ihrer Sprache. Mittlerweile sucht sie sich eine passende Gemeinde! Wir denken, dass sie sich bald für Jesus entscheidet.

Unsere Sicherheit ist Jesus

Eigentlich bin ich ein ängstlicher Mensch. Aber in diesem Dienst habe ich noch nie Angst gespürt! Ich fühle immer, dass ich mit Gott dorthin gehe. Er ist mein Schutz. Ich werde selber so gesegnet durch diesen Dienst. Ich will etwas für ihn tun – und dann werde ich so beschenkt und erlebe so viel Freude! Anfangs habe ich mir viele Sorgen gemacht. Aber ich erfahre, dass Gott sich um alles, auch um mein Verhalten und meine Worte kümmert. Er segnet in jeder Hinsicht.

Ein weiteres Wunder ist: Die schlimmen Geschichten, die die Frauen mir erzählen, nehme ich nicht mit nach Hause. All das Erzählte ist wie weg, wenn ich ihr Haus verlasse – ich grübele nicht mehr darüber nach.

Durch diesen Dienst bin ich geistlich sehr gewachsen. Meine Beziehung zu Gott ist intensiv geworden. Ihn erleben, ihm nachfolgen – anfangs war es für mich ein Weg aufs Wasser. Ich kann nur ermutigen, unsere Sicherheit hinter uns zu lassen. Unsere Sicherheit ist Jesus.”

*Name geändert

aus: Orientierung: M #magazin 1 | 2019