Neben dem Koran sind verschiedene Geschichten und Hadithe über Adam überliefert, aus denen wir Einzelheiten über die Erschaffung Adams und die Entstehung der Menschheit erfahren. Darüber hinaus werden sein Sündenfall und sein Prophetentum thematisiert. Islamwissenschaftler sind heute der Auffassung, dass sich viele Details auf jüdische Überlieferungen zurückführen lassen.
Adams Erschaffung und Vollkommenheit
In einem Hadith (Muslim) heißt es: „Der beste Tag, an dem die Sonne aufgeht, ist der Freitag. An ihm wurde Adam erschaffen, in das Paradies hineingeführt und aus ihm vertrieben.” Nach der Überlieferung ist er auch an einem Freitag gestorben.
Auch zur Erschaffung Adams aus Erde gibt es interessante Details, die die Unterschiedlichkeit der Menschen erklären: Aisha Stacey schreibt: „Allah erschuf Adam aus einer Handvoll Erde, die Teile von jeder Erdsorte enthielt. Engel wurden auf die Erde gesandt, um die Erde zu sammeln, aus der Adam werden sollte. Es war rote, weiße, braune und schwarze Erde; sie war weich und formbar, hart und körnig; sie kam von den Bergen und aus den Tälern; aus unfruchtbaren Tälern und üppigen fruchtbaren Ebenen und von allen natürlichen Begebenheiten dazwischen.
Den Nachkommen Adams war bestimmt, so unterschiedlich zu sein wie diese Handvoll Erde, aus der ihr Vorfahre erschaffen worden war; alle haben verschiedene Erscheinung, Eigenschaften und Vorzüge.“ Die Erde für Adams Kopf kam aus Mekka, die für seine Brust und seinen Rücken aus Jerusalem. Die Erschaffung Adams wird als ein Prozess gedeutet, der 40 Tage/Jahre in Anspruch nahm. Der Körper Adams war hohl wie ein Tongefäß, in das man hineinblasen konnte. So war es dem Satan möglich, durch den Mund in den Tonkörper Adams hinein zu fahren und auf der Rückseite hinauszugehen.
Adams Besonderheiten
Der Islamgelehrte Tabari berichtet, das Adam besonders groß (60 Ellen) gewesen sei. Beim Eintritt ins Paradies werden alle Menschen diese Größe haben. Vor dem Sündenfall soll Adam besonders schön gewesen sein, ohne Bart mit schwarzen Locken und heller Gesichtsfarbe. Dass Allah Adam mit seinen Händen erschuf, ist ein Hinweis auf seine hohe Stellung über den Engeln und dem Satan. Es heißt, dass Adam nieste, als sein Körper erzitterte und sich mit Leben füllte, und er sogleich ausrief: „Aller Preis und Dank gebührt Allah“. Daraufhin beschenkte Allah Adam mit seiner Gnade. Er lehrte ihn alle Namen der Tiere, die die Engel nicht wussten. Adams vollkommenes Wissen begründet seine Überlegenheit über die Engel. Nachdem Allah in Adam hinein seinen Geist/Seele eingeblasen hatte, befahl er den Engeln sich vor ihm niederzuwerfen, um ihn zu ehren, was Satan, ablehnte.
Adam & Eva (Hawa) und ihre Nachkommen
Der Koran erwähnt Eva, arabisch Hawa, nicht namentlich. Von ihrer Erschaffung wird nur allgemein in Sure 4:1 berichtet. In einem Hadith (Bukhari) heißt es: „Behandelt die Frauen gut, denn die Frau ist aus einer gekrümmten Rippe geschaffen worden. Wenn du sie gerade biegen willst, wirst du sie brechen und wenn du sie lässt, wie sie ist, wird sie verbogen bleiben. Behandle also die Frauen gut.“ Eva soll zwanzig Mal Zwillinge geboren haben, jeweils einen Jungen und ein Mädchen, die dann kreuzweise heirateten. Nur Seth kam alleine auf die Welt.
Als Adam mit fast 1.000 Jahren starb, hatte er 40.000 Nachkommen. Um Adams Anspruch als den ersten in einer Reihe von Propheten bis auf Mohammed zu unterstreichen, wird in Anlehnung an Sure 7:172 folgende Überlieferung (Mālik ibn Anas) wiedergegeben: „Allah schuf Adam. Dann strich er ihm mit der Rechten über den Rücken und holte aus ihm Nachkommen heraus; er sagte: Diese habe ich für das Paradies geschaffen; wie für das Paradies bestimmte werden sie handeln. Dann strich er ihm wieder über den Rücken und holte aus ihm Nachkommen heraus; er sagte: Diese habe ich für das (höllische) Feuer geschaffen; wie für das (höllische) Feuer bestimmte werden sie handeln.“ Dadurch wird die Präexistenz Mohammeds in den Lenden Adams verdeutlicht, die man sich in Form eines Lichtes vorstellte, das über Noah, Abraham und David zu der Sippe Mohammeds kam.
Der Sündenfall Adams
Nach islamischem Verständnis hatte Allah einen Bund mit Adam geschlossen. Der Sündenfall zerbricht diesen Bund bzw. Vertrag. Die Überlieferung berichtet ausführlich über die Tränen der Buße, die Adam nach seinem Ungehorsam vergoss. Als Mose Adam wegen seiner Sünde anklagt, verteidigt er sich mit dem Hinweis auf die Prädestination seiner Sünde. In einer anderen Überlieferung heißt es: „Und jedes Mal, wenn Adam an den Engeln vorüberging, schimpften sie ihn für das, womit er gegen den Vertrag (‚ahd) seines Herrn und Gottes Bund (jriitäq) verstoßen hatte. Sie machten ihm viele Vorwürfe und erinnerten ihn an die Wohltaten, die Gott ihm erwiesen hatte.
Da sagte Adam: ‚Ihr Engel meines Herrn, erbarmt euch meiner und schimpft nicht mit mir, denn das, was ich getan habe, hat Gott für mich durch das verborgene Vorherwissen auf der wohlbewahrten Tafel (al -lauh al-mahfuz) aufgeschrieben…‘.“ In einer anderen Überlieferung (Abu Hureira) wird die Sünde Adams und seiner Nachkommen regelrecht bagatellisiert. So wird sie schlicht als ein Vergessen dargestellt wird (Sure 20,115). „… Adam vergaß und seine Nachkommenschaft vergaß, Adam sündigte und seine Nachkommenschaft sündigte.“ Nicht nur Adam, sondern alle großen Propheten nach ihm, ausgenommen Jesus, wurden einer Sünde bezichtigt. Die Vorrangstellung Mohammeds wird dadurch deutlich, dass ihm eine generelle Sündenvergebung zugesagt wird (Sure 48:2).
Solche und ähnliche Geschichten aus den islamischen Überlieferungen sind bei vielen Muslimen bekannter, als die Worte des Koran. Teilweise vermischen sich diese auch. Wir sollten also nicht verwundert sein, wenn wir im Gespräch mit Muslimen Aussagen hören, die uns nicht gerade “islamisch” erscheinen.
aus: Orientierung: M #spezial 2 2019