Gottes Ruf zu einem bestimmten Dienst kann für uns auch dadurch hörbar werden, dass Er uns eine neue, geistliche Sicht für die Realität schenkt
Gott gibt manchmal Aufträge, ohne sie zu begründen. So wurde z. B. der Evangelist Philippus (nach Apg 8,26) ohne weitere Erklärung aufgefordert, sich auf eine einsame, abgelegene Straße zu begeben. Als Bibelleser fragen wir uns vielleicht, was Gott wohl damit beabsichtigte. Von Philippus selber wird aber schlicht gesagt: „und er stand auf und ging hin“ (V. 27). – Wenn Gott dich ruft, dann geh‘!
Aber manchmal beruft Gott jemanden auch dadurch, dass Er ihm hilft, die Realität durch eine „neue Brille“ zu sehen: so wie Er selber sie sieht. Als Gott Paulus und seine Mitarbeiter beauftragen wollte, das Evangelium nach Europa zu bringen, in einen neuen Kulturkreis hinein, machte Er ihnen das durch ein Bild deutlich:
„Und es erschien dem Paulus in der Nacht ein Gesicht: Ein mazedonischer Mann stand da und bat ihn und sprach: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Als er aber das Gesicht gesehen hatte, suchten wir sogleich nach Mazedonien abzureisen, da wir schlossen, dass Gott uns gerufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen.“ (Apg 16, 9 + 10)
Für Paulus war offensichtlich sofort klar, dass es sich bei der Person, die er in dieser nächtlichen Erscheinung sah, um einen Mazedonier handelte – und dieser Mazedonier verkörperte für ihn die hellenistische Kultur, die mit ihrer Philosophie, Wissenschaft und Kunst alle anderen zeitgenössischen Kulturen weit überragte. Außerdem war Mazedonien unter Alexander dem Großen Mittelpunkt eines Weltreichs gewesen.
Der Hilferuf
Aber Gott vermittelte dem Apostel Paulus eine völlig andere Sicht: Dieser Mensch, Repräsentant einer ausgesprochen hochstehenden Kultur und ruhmvollen Geschichte, bittet: „Komm herüber … und hilf uns!“ Paulus erhielt einen Blick hinter die Fassade, damit er sich nicht blenden lassen sollte vom Augenschein, von menschlicher Größe und menschlichem Glanz, von Bildung oder Machtansprüchen. In diesem Menschen ist – wie in jedem – ein tiefer Schrei nach Hilfe.
Gott selber hört diesen Schrei, noch bevor der Mensch selber etwas davon merkt – und Er versteht ihn, auch wenn der Mensch selber nur eine unbestimmte Unruhe spürt und nach „irgendetwas“ sucht (und dabei oft alles Mögliche ausprobiert).
Gott möchte denen, die Seine Kinder sind, diesen Schrei ebenfalls „zeigen“. Sonst lassen wir uns leicht durch eine falsche, vordergründige Sicht blockieren. Wenn jemand reich oder bei allen beliebt ist, wenn ihm alles gelingt und er glücklich und zufrieden ist, meinen wir vielleicht: ‘So jemand braucht das Evangelium nicht oder hat dafür keine Antenne’ – und lassen uns dadurch den Mund verschließen.
Hilfe unnötig?
Das ist gewiss auch in der Begegnung mit Muslimen oft ähnlich. Viele Muslime erscheinen „gottesfürchtig“ und „fromm“, überzeugt von ihrer Religion und ernsthaft bemüht, ihre religiösen Pflichten zu befolgen. Was können wir ihnen denn sagen? – Andere wirken ablehnend, greifen die Bibel und das Christentum an und scheinen für das Evangelium nur Verachtung übrig zu haben. Ist es da nicht besser zu schweigen?
Äußere Not, Krankheit, Armut, Hilflosigkeit, ist in der Regel leicht sichtbar. Die verborgene geistliche Hilflosigkeit und Bedürftigkeit kann wohl wirklich nur Gottes Geist uns zeigen. Er hat uns, die wir an Jesus Christus glauben, ja selber erfahren lassen und lässt uns immer tiefer erkennen, wie sehr Sünde unser Leben als Menschen zerstört und uns von dem lebendigen Gott trennt. So können wir auch besser und tiefer verstehen, weshalb und wie andere Hilfe brauchen. – Gottes Geist kann uns weiterhin zeigen, wie auch Muslime sich nach Gewissheit der Vergebung und Frieden mit dem lebendigen Gott sehnen – wie bei ihnen und uns allen überhaupt nur das Wissen um Seine Liebe unsere große innere Leere ausfüllen kann (vgl. dazu auch die Zeugnisse in dem Buch „Gesprengte Ketten“, s. Seite 17).
Wenn Gott uns den muslimischen Menschenbruder und die muslimische Menschenschwester vor unser geistliches Auge stellt, bekommen wir eine ganz neue Perspektive: ‚Du kennst Gott als deinen Vater, der dich liebt. Du kennst Jesus Christus, der dir die Last deiner Sünde abgenommen hat. Du hast die verlässliche Zusage der Gnade Gottes und Sein festes Versprechen, dass du in der Ewigkeit bei Ihm sein wirst. Dein geistlicher Hunger und Durst wird durch Jesus Christus gestillt. Darfst du diesen geistlichen Reichtum vor ihnen verstecken, weil du – vordergründig gesehen – meinst, sie interessieren sich nicht dafür, sie wollen nichts davon hören, sie lehnen das Evangelium ab? – Wie können sie es denn ablehnen, wenn sie es wahrscheinlich (auch in Deutschland oder einem anderen „christlichen“ Land) noch nie wirklich gehört haben, wenn es ihnen noch nie jemand in Liebe „nahe gebracht“ hat?’
Hilfe – auch durch Hilflose?
„Hilf uns!“ Auf diesen Ruf hin eilen wir dann trotzdem nicht herbei wie Leute, die durch ihre große eigene Weisheit, Kraft oder Menschenfreundlichkeit alles im Nu reparieren können. Helfen können wir nur als Menschen, die selber Gottes Hilfe brauchten (und immer noch nötig haben), die erzählen können, wie ihnen geholfen wurde, und die auf den hinweisen, bei dem allein es Hilfe gibt. Ich weiß nicht ob jemand in geistlichen Dingen wirklich helfen kann, wenn er nicht oft seine eigene Hilflosigkeit schmerzhaft empfindet, liebend gern helfen möchte und nicht weiß wie – und keinen anderen Rat weiß, als im Namen unseres Herrn Jesus Christus seine Hilfe bei Gott zu suchen. Denn das ist wohl die eigentliche Hilfsaktion, zu der Gott uns berufen will: anderen Menschen zu zeigen, wo Hilfe zu suchen und zu finden ist. „… wir schlossen, dass Gott uns gerufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen.“
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