Wenn Gott Seine Adresse nennt

Wo einer wohnt

Wenn man sich in einer Stadt gut auskennt, muss man manchmal nur die Adresse einer Person hören, und schon „weiß man Bescheid“: „In dem Viertel wohnen doch lauter Asoziale!“ oder: „Vornehme Gegend! Wer da zu Hause ist, muss ja stinkreich sein.“ Natürlich kann man im Einzelfall mit solch einem Urteil ganz schön daneben greifen. Aber wo jemand wohnt, verrät oft tatsächlich einiges über die Person: in welcher Umgebung sie sich wohlfühlt, was sie sich leisten kann, aus „welchem Hause“ sie stammt…

Wenn Gott Seine Adresse nennt

Als das Volk Israel einen Tiefpunkt in seiner Geschichte erlebte, war es Gott wichtig, ihm durch den Propheten Jesaja mitteilen zu lassen, wo Er Seine Wohnung hat (Jes 57,15b): In der Höhe und im Heiligen wohne ich und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen. (ELB) – Mit dieser Information sprach Gott zwar ganz konkret in eine bestimmte geschichtliche Situation hinein, die Bedeutung Seiner Worte geht aber weit darüber hinaus. Wir erfahren Gottes „gültige Adresse“.

Der Bewohner

Zunächst einmal stellt Er aber sich selber vor:Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt und dessen Name der Heilige ist. Wir sollen offensichtlich beide kennenlernen: den Bewohner und Seine Wohnung. Um uns deutlich zu machen, mit wem wir es zu tun haben, verwendet Gott Worte, die Seine unvergleichliche Größe und Majestät bezeugen: Er ist „der Hohe und Erhabene“, einer, mit dem wir Menschen absolut nicht „auf Augenhöhe“ verkehren können. Seine Macht, Weisheit und Würde überragen alles, was wir uns überhaupt vorstellen können. Er ist erhaben auch über alle menschliche Kritik und alle Versuche, Ihn herabzusetzen. Jesaja erkannte sich als verlorenen Sünder (Jes 6,5), als er den Herrn auf einem „hohen und erhabenen Thron sitzen“ sah (Jes 6,1).

Es spricht „der in Ewigkeit wohnt“. Aus dem, was Gott hier von sich sagt, hören wir, dass Er immer lebt, ohne Anfang und Ende – und können uns das eigentlich gar nicht vorstellen. Für unsere begrenzte Erfahrung gibt es immer ein Vorher und Nachher. Ewigkeit: eine ganz andere Dimension! – Wenn Gott sagt, dass Er in Ewigkeit wohnt, weckt das bei uns die Vorstellung, dass es für Ihn ein „Zuhause“ gibt – dass Er nicht dauernd umzieht, immer rastlos unterwegs. Dieses Wort spricht von Beständigkeit und Ruhe, trotz der ungeheuren Fülle von Aktivitäten, die sicherlich von Gottes Thron ausgeht.

Zuletzt nennt Gott uns einen Seiner Namen: „dessen Name der Heilige ist“. Dieser Name bringt Gottes Wesen zum Ausdruck: abgesondert von aller Bosheit und allem Schmutz. – Wenn wir Kontakt mit Ihm aufnehmen, im Gebet mit Ihm sprechen wollen, müssen wir Ihn in tiefer Ehrfurcht als den Heiligen ansprechen, ja, eigentlich selber von aller Bosheit und allem Schmutz frei sein.

Wohnung in einsamer Ferne?

Was für eine Wohnung mag wohl für solch eine Person angemessen sein? – Durch die Wortwahl macht Gott deutlich, dass Seine Wohnung Ihm Selber entspricht: Der Hohe und Erhabene wohnt natürlich in der Höhe. Das ist nicht räumlich gemeint, als schwebe Gott „über den Wolken“. Gott ist zu Hause im Zentrum der größten Macht und Herrlichkeit. Über Ihm wohnt keiner mehr; keiner übertrifft Ihn in irgendeiner Weise. Er ist unerreichbar für uns Menschen, die wir in vielerlei Hinsicht begrenzt sind. Angesichts dieser Höhe erscheint alles menschliche Gerede, Gott „einmal zur Rechenschaft ziehen“ zu wollen, in lächerlicher Weise als unangemessen – aber auch viele unserer wohlgemeinten Versuche, Ihn zu verstehen, und vieles fromme Gerede.

Der, dessen Name der Heilige ist, wohnt im Heiligen. Hier ist wohl nicht das irdische Heiligtum gemeint, sondern der Bereich der Heiligkeit Gottes, zu dem nichts Unreines, Sündiges Zugang haben kann, ohne vernichtet zu werden. Diese Wohnung Gottes ist vielleicht erreichbar für Engel, nicht aber für sündige Menschen!

Um diese beiden Wohnorte zu bezeichnen, gebraucht Gott im hebräischen Urtext nur je ein Wort, als wolle Er nur kurz und knapp diese unumstößliche Tatsache feststellen: „In der Höhe und im Heiligen wohne ich“ – für euch unerreichbar in meiner Macht und Reinheit. Wenn da ein Punkt wäre! So aber klingt es eher, als habe Er das gerade einmal nebenher erwähnen wollen, und als habe Er es eilig, nun auf das Eigentliche zu sprechen zu kommen.

Gott in einer Wohngemeinschaft

Den dritten Teil oder die dritte Dimension Seiner Wohnung beschreibt Gott mit viel mehr Worten: neun im Vergleich zu je einem für die beiden anderen „Orte“. Worüber Er so viele Worte verliert, das ist Ihm gewiss besonders wichtig – dort ist Er mit Seinem Herzen zu Hause.

Schon das kleine Wörtchen „mit, bei“ schiebt die Vorstellung, Gott throne in ewiger, unerreichbarer Ferne, ganz überraschend beiseite. Gott will Nähe, Gemeinschaft – „Wohngemeinschaft“ – nicht nur vorübergehend, auf einen kurzen Besuch.

Noch überraschender ist, bei wem Er wohnt: bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist. Wie der Kontext deutlich macht, ist der Grund für das Zerschlagensein in der Sünde zu suchen. In Vers 16+17 ist die Rede von Gottes Zorn über die Schuld Seines Volkes. Nun hält Gott Ausschau, ob jemand „zerschlagenen und gebeugten Geistes ist“: ob es Einzelne gibt, die durch Gottes Gericht zur Einsicht gekommen sind, die erkannt haben, dass sie sich gegen Gottes gute Gebote aufgelehnt hatten und in Sünde geraten waren – und die deswegen betrübt und bereit zur Umkehr sind. Bei so jemandem will Gott wohnen.

Es könnte scheinen, als wolle Er die Höhe und das Heilige verlassen, um bei den Gebeugten und Zerschlagenen einzuziehen – doch das „… und… und …“ spricht eher dafür, dass Er zugleich an diesen ganz verschiedenen Orten wohnt. Wie aber kann der Heilige zugleich im Heiligen wohnen und bei denen, die wegen ihrer Sünde zerschlagen sind? Wie kann der Hohe zugleich in der Höhe wohnen und bei denen, die gebeugten Geistes sind? – Je länger man über diesen Vers aus Jesaja 57 nachdenkt, umso mehr gleicht er einem Diamanten, der im Licht anderer Bibelworte aufleuchtet.

Von Jes 53,5 her wird z. B. deutlich, welchen Weg Gott mit Seinem Knecht gehen musste, damit Er nun bei den Zerschlagenen wohnen kann: „Doch er (der Knecht Gottes, ein prophetischer Hinweis auf Jesus Christus) war durchbohrt um unserer Vergehen willen, zerschlagen um unserer Sünden willen. Die Strafe lag auf ihm zu unserm Frieden…“ (vgl. auch Jes 53,10) – Gott hat einen teuren Preis bezahlt, damit Er bei Menschen wohnen kann, die wegen ihrer Sünde einen zerschlagenen Geist haben.

Hausherr oder Krankenpfleger?

Und wozu das alles? Gott sagt es selber ganz deutlich: „um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen“. Beleben – und noch einmal: beleben – das ist es, was Gott will. Er hat das Recht zu herrschen, aber Er kommt, um zu helfen. Er hat das Recht, Ehre und Anbetung entgegen zu nehmen – und wenn Er unser Leben und unseren Besitz von uns haben wollte, würde Er ja nur Sein Eigentum fordern – aber Er kommt, um uns zu beschenken.

Gottes Geschenk ist „Leben“, neues, ewiges Leben durch Jesus Christus. Jesus hat es selber gesagt: „Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben“ (Joh 10,10). Der Apostel Paulus bezeugt: „auch uns, die wir in den Vergehungen tot waren, (hat Gott) mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet! Er hat uns mit auferweckt…“ (Eph 2,5f). Weil Jesus Christus um unserer Sünden willen zerschlagen wurde, kann er, unser auferstandener Herr, das Herz der Zerschlagenen beleben.

Herz und Geist – das Innerste von uns Menschen – muss erneuert werden. Die beste Belehrung für unseren Verstand und die deutlichsten Appelle an unseren Willen durch das vollkommenste Gesetz sind nutzlos, wenn Herz und Geist nicht Leben von Gott haben.

Zur Verwirklichung dieser Belebungs-Aktion ist es offenbar notwendig, dass Gott bei uns wohnt. – Es ist nicht damit getan, dass Er uns einen Brief mit wichtigen Nachrichten in den Briefkasten wirft oder ein Paket mit guten Gaben für uns abgeben lässt. Selbst gelegentliche Kurzbesuche reichen nicht aus. Damit wir Leben empfangen und am Leben bleiben, brauchen wir die Gemeinschaft mit Gott – ständig! Genau das sagt Jesus denen, die an ihn glauben: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ (Joh 14,23) Von unserer Seite her ist es notwendig, dass wir Ihm die Tür öffnen, Ihn in unser Leben einladen und Ihn bei uns wohnen lassen, indem wir Seinem Wort vertrauen und gehorchen.

Orientierung 2010-02; 11.05.2010

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