Die koptisch-orthodoxe Kirche

28.10.2021
Image

Die Kopten als größte christliche Kirche des Landes am Nil, die ihre Bezeichnung vom griechischen „aigyptos = Ägypter“ ableitet, verstehen sich als Nachfahren der Pharaonen und somit als die eigentlichen Ägypter.

Die koptische Sprache, heute nur noch Liturgiesprache, ist die ägyptische Umgangssprache des 3./4. Jhd., die jüngste Ausformung der altägyptischen Sprache. Sie verwendet das griechische Alphabet mit einigen Sonderzeichen aus der altägyptischen Schrift.

10-15% der ägyptischen Bevölkerung sind Kopten oder Christen anderer Denominationen.

Die Kirche des Evangelisten Markus

Die koptische Kirche führt ihren Ursprung auf den Evangelisten Markus zurück, der in der hellenistischen Weltstadt Alexandria das Evangelium predigte und dort im Jahre 68 den Märtyrertod starb. Die koptischen Päpste stehen in der Tradition des Markus; der aktuelle Papst Tawadros II. ist sein 118. Nachfolger. Das Grab des Markus befindet sich in der St. Markus Kathedrale in Kairo, nachdem im Jahre 1968 die im 13. Jahrhundert nach Venedig geschmuggelten Gebeine teilweise wieder zurückgegeben wurden. 

Identitätsstiftend für koptische Christen ist auch der 3½-jährige Aufenthalt der heiligen Familie in Ägypten nach ihrer Flucht vor Herodes (Mt 2,13-15). Die Orte ihres Aufenthalts vom Nildelta bis nach Assiut werden heute noch gerne besucht.

Schon in den ersten Jahrhunderten zogen sich Christen als Asketen in die Einsamkeit der Wüste, in Höhlen und Klausen, zurück, um dort ganz für Gott zu leben, wie der Mönchsvater Antonius (251-356). Manche schlossen sich zu Eremitenkolonien zusammen, und es entstanden Klöster. Pachomius (292-346) entwickelte die ersten Regeln für das Mönchtum. Die Wüste zwischen Kairo und Alexandria, insbesondere das Wadi Natroun, war erfüllt vom Psalmengesang der Mönche und Nonnen.

Die Christenverfolgungen des Römischen Reichs prägten die Kirche stark. Bis ca. 311 starben so viele als Märtyrer, dass die koptische Kirche ihre Zeitrechnung mit dem Jahr 284, dem Amtsantritt des Kaisers Diokletian, beginnt und sich „Kirche der Märtyrer“ nennt.

Während der Islamisierung und der damit einhergehenden Arabisierung Ägyptens bewahrte die Kirche in einem stets wechselnden Spannungsverhältnis zum Islam, zwischen Toleranz und Repression, in Treue und Hingabe ihren Glauben.

 

Neuere Geschichte und erweckliche Aufbrüche 

Während der Osmanischen Zeit stagnierte die Kirche. Als Mitte des 19. Jhd. die protestantische amerikanische Missionsbewegung nach Ägypten kam, traf sie auf eine ungebildete, erstarrte Kirche. Die Konkurrenz aber rüttelte die koptische Kirche wach. Sie besann sich auf ihre frühe Zeit. Einzelne hingegebene Menschen entwickelten so viel geistliche Strahlkraft, dass sie viele andere mitzogen.

So entstand eine neue monastische Bewegung und vor rund 100 Jahren eine Sonntagsschulbewegung: Die Kleinsten wurden in die biblischen Geschichten eingeführt und die Jugendlichen durch die Pubertät begleitet. Die neue Generation wuchs mit und im Wort Gottes auf. Die Reformen der letzten Päpste Kyrillos VI. (1959-1971), Shenouda III. (1971-2012) und Tawadros II. (seit 2012) – religiöse Bildung, soziale Aktionen und geistlicher Tiefgang – tragen reiche Früchte.

Jetzt blüht die Gemeinde Jesu in Ägypten. Klöster und Kirchen wurden wieder aufgebaut, die Mönchsgemeinschaften wachsen und die Kirchen sind voll. Die koptische Kirche ist stark vom Mönchtum als geistlichem Zentrum ihrer Frömmigkeit geprägt. Der Tag wird strukturiert durch 7 Stundengebete, nach Psalm 119: „Siebenmal am Tag lobe ich dich.“ In jede m Stundengebet werden je 12 Psalmen gebetet, also 84 Psalmen pro Tag, denn: „Das Gebet ist die Jakobsleiter, die uns zu Gott bringt.“

Jeder koptische Christ trägt ein Kreuz-Tattoo am Handgelenk als sichtbares Zeichen seiner Identität.

 

Theologie 

Theologisches Zentrum war die Schule von Alexandria. Der Patriarch Athanasius der Große (298-373) kämpfte gegen die Irrlehre des Arianismus; zweimal wurde er vom Kaiser nach Trier verbannt. Von ihm stammt der Kanon des Neuen Testamentes, wie wir ihn heute kennen.

Im Jahr 451 spaltete sich die koptische Kirche auf dem Konzil von Chalcedon von der Byzantinischen Kirche ab, als die Trennung der zwei Naturen Christi zum Dogma erhoben wurde. Dennoch sind sie keine Monophysiten.

In der koptischen Liturgie wird Gott häufig als „der Menschenliebende“ bezeichnet: „Wir wollen uns niederwerfen vor unserem Erlöser, dem Menschenliebenden, denn er war uns barmherzig, kam und erlöste uns.“

Ikonen, die nicht angebetet werden, wollen den Blick in die unsichtbare Welt Gottes öffnen. Die Verehrung der Märtyrer für Jesus stellt diese als Vorbild dar und weitet den Blick für die Wolke der Glaubenden.

 

Gegenwärtige Situation

Inzwischen ist Kirchenbau vermehrt möglich; und nach der Verfassung haben Muslime und Christen inzwischen die gleichen Rechte. Dennoch sind Vorurteile gegen Christen und strukturelle Benachteiligung immer noch ein Problem. Immer wieder kommt es zu Anschlägen, und auch zu Zwangsverheiratungen.

Vor allem in Zeiten der Bedrängnis rücken die Kirchen zusammen. So gab es im Jahr 2011 eine „Nacht der Umkehr und des Gebets“, in der 70.000 Christen in der riesigen Höhlenkirche in Kairo gemeinsam sangen und beteten. Papst Tawadros II. plädiert für eine christuszentrierte Ökumene und sagt: „Was uns eint ist mehr, als was uns trennt.“

 

Präsenz in Deutschland

In Deutschland gibt es wie in vielen anderen Ländern eine starke koptische Diaspora mit zahlreichen Gemeinden. Zentrum und Bischofssitz ist das Kloster Brenkhausen bei Höxter (Bischof Damian).

aus Orientierung: M  3/2021