Fethullah Gülen und sein Netzwerk

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Weltweit wird die Zahl der Gülen-Sympathisanten auf über elf Millionen geschätzt. Ziel des Netzwerks ist es, jedem türkischen Muslim eine islamische Grundausbildung zu geben. 120 Nachhilfevereine gehören allein in Deutschland dazu und mindestens 500 Schulen weltweit. Zeitungen, Zeitschriften, TV-Sender, eine Bank und eine Holding machen Gülen zum Medienmogul

Der charismatische Prediger Gülen lernte früh von den Schriften des Sufi-Predigers Said Nursi. Dieser hatte Angst, die Muslime würden ihren persönlichen Glauben durch die Herausforderungen der Moderne verlieren. Gülens Lehre unterscheidet sich von der anderer Anhänger Nursis (Nurcu-Gruppen) dadurch, dass er einen modernen türkischen Nationalismus, freie Marktwirtschaft und die Bildung betont. Gülen predigt ein verantwortungsvolles Handeln im Hier und Heute zum Wohl der Allgemeinheit aus Liebe zum Schöpfer. Statt in Moscheebauten investieren seine Anhänger in Bildungseinrichtungen, damit jeder Schüler seiner Schule am Ende die beste Bildung erhält. Man kann nur staunen, wenn man von deutschen Lehrplänen mit deutschen Lehrern ohne Islamunterricht im normalen Stundenplan hört. Korankurse gibt es für die Internatsschüler nach Feierabend. Der Dienst und die Hingabe der islamischen Lehrer und vieler Ehrenamtlicher basieren auf dem Sammeln guter Werke, die helfen sollen, bei Gott Punkte anzuhäufen.

Statt islamischer Mission stehen die Gülen-Anhänger für Dialog und Liebe zu Andersgläubigen. Gülen setzt sich damit freizügig über Sure 5,51 (sich Juden und Christen nicht zu Freunden zu nehmen) hinweg. Er hat auch an anderen Stellen große Freiheiten. Der demokratische Staat ist für ihn kein Feind sondern Heimat. Damit stellt Gülen einen Islam ohne Scharia vor, der die Trennung von Staat und Religion akzeptiert und jegliche Gewalt zur Verbreitung des Islams ablehnt, womit er viele Koransuren aufhebt (z. B. Sure 47,4; 9,5.29; 8,39). Die kurdische Terrororganisation PKK würde er aber durchaus mit Gewalt vernichten.

Teilweise liegt eine Inspiration durch das American Board nahe, eine christliche Missionsarbeit in der Türkei seit 1830, die Missionsschulen und Kliniken in der Türkei betrieb. Dadurch scheint ein calvinistisches Denken in den Islam Eingang gefunden zu haben. Die heutige Regierung Erdoğan wird durch Anhänger Gülens unterstützt.

Islamische Kritiker in der Türkei werfen Gülen Religionsvermischung und seine mönchische Ehelosigkeit und Armut als unislamisch vor. Er verbietet außerdem das Schlagen der Frau (entgegen Sure 4,34), auch wenn er für das Kopftuch plädiert.

Das Streben nach Wissenschaft hat für Gülen Priorität: moderne Lehrpläne, guter Notenschnitt. Wissenschaft und wissenschaftliche Fakten sind wahr, solange sie mit Koran und Hadith übereinstimmen.

Den Abfall vom Islam sieht Gülen als Hochverrat, obwohl er sonst von der Freiheit des menschlichen Denkens spricht. Buchautorin Necla Kelek und andere sprechen hinsichtlich Gülens Netzwerk von einer islamischen Geheimorganisation. Andere denken, er würde langfristig ein Scharia-basiertes Recht in Deutschland einführen. Ahmet Sik, ein türkischer Autor, wirft Gülen vor, die Polizei und Gerichtsbarkeit zu unterwandern.

Beurteilung: Anzukreiden ist seiner Vereinigung, dass sie in der deutschen Öffentlichkeit nicht als islamische Stimme auftritt und ihr wahres Gesicht verheimlicht. Man kann gemäßigt optimistisch sein. Wir werden Gülen-Anhängern begegnen. Sie werden uns sehr sympathisch vorkommen und uns auf vielen Gebieten ähnlich sein. Sie werden versuchen, uns für eine gemeinsame Front in ethischen Fragen zu gewinnen, gegen Abtreibung, für bessere Ausbildung, gegen die ethische Verwahrlosung unserer Gesellschaft. Wir brauchen vor ihnen keine Angst zu haben und dürfen sie zu Jesus Christus als Retter einladen. Sie haben bei uns für ihre Kreise bereits Bibeln angefordert. Trotzdem müssen wir sie als geistlich blind einschätzen und erkennen, dass sie die Erlösung durch Jesus Christus brauchen.

 

Orientierung 2012-03; 01.07.2012

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