In der Begegnung mit Muslimen erlebte eine Mitarbeiterin, dass diese mit Schenken und Beschenkt-werden etwas anders umgehen, als wir es gewohnt sind. In einer anderen Kultur hat Schenken manchmal eine ganz andere Bedeutung. Dazu einige Beispiele:
Der Schenkende ist wichtig
Zusammen mit einem befreundeten türkischen Ehepaar besuchen wir deren Eltern. Worüber würde die Mutter sich wohl freuen? Ich packe für sie ein Stück besonders wohlriechende Seife und ein Spitzentaschentuch ein. Wir werden sehr freundlich empfangen und schon bald mit heißem, türkischen Tee bedient. Mein kleines Geschenk, das ich der Mutter überreicht habe, liegt auch als wir uns nach Stunden verabschieden noch unbeachtet auf dem Tisch. Hat sie sich etwa nicht gefreut? Als ich nachfrage, erklärt meine Freundin: „Nicht das Geschenk ist wichtig, sondern der Schenkende.“
Geschenke mit Ansage
Waren Sie schon mal auf einer türkischen Hochzeit eingeladen? Dann haben Sie vielleicht ähnliches erlebt… Die Gäste sind nach und nach eingetroffen, zuletzt auch das Brautpaar. Nach dem Essen, irgendwann im Laufe des Abends, kommt der Programmpunkt „Geschenke überreichen“. Jeder, der möchte, geht nach vorn, gratuliert dem Paar, und ein Moderator mit Mikrofon nennt den Namen und die Summe des Geldgeschenkes, das überreicht wurde. Oft ist es auch Goldschmuck. Das ist eine besondere Art, die Gäste zu ehren!
Bei zu viel Bewunderung wird verschenkt!
Eine marokkanische Bekannte überraschte mich immer wieder, wenn ich sie zu Hause besuchte; jedes Mal trug sie wunderschöne, selbstgenähte Kleider. Bei einem Besuch brachte ich meine Bewunderung dafür zum Ausdruck. Als ich kurze Zeit später wieder zu ihr kam, hatte sie dieses Kleid für mich in eine Tüte gepackt als Geschenk! Das Kleid ist bis heute für mich eine schöne Erinnerung an diese Frau, zu der ich den Kontakt verloren habe. Mit zu großer Bewunderung bin ich aber seitdem zurückhaltender…
Orientierung 2013-05; 27.11.2013
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