Gottes Gnade und Barmherzigkeit nach dem Koran

Gegenüber der Meinung, der Islam sei eine „harte Religion“ mit vielen strengen Forderungen, betonen Muslime gern, welch große Rolle Gnade und Barmherzigkeit im Islam spielen. Tatsächlich ist im Koran viel von Gottes Barmherzigkeit und von Erweisen seiner Gnade die Rede.

Gott, der Gnädige und Barmherzige
Der Koran beginnt – wie auch jede einzelne Sure außer der neunten – mit den Worten: „Im Namen Gottes (Allahs), des (All-)Barmherzigen, des Erbarmers.“ „Der Barmherzige“ und „Der Erbarmer“ sind die ersten der „99 schönsten Namen Allahs“. Barmherzigkeit erscheint also als eine wesentliche, wenn nicht die herausragende Eigenschaft Gottes. Außerdem wird oft auf Sure 6, Vers 12 und 54 hingewiesen: „Er hat sich selbst Barmherzigkeit (als Gesetz) vorgeschrieben“. Liest man jedoch jeweils den Zusammenhang, wird deutlich, dass Barmherzigkeit auch ein „Gegengewicht“ hat. In Sure 6,12 heißt es weiter: „Er wird euch einst am Auferstehungstag (zum Gericht) versammeln; … nur die, welche sich selbst ins Verderben stürzen wollen, glauben es nicht.“ Zudem ist die Barmherzigkeit an Bedingungen geknüpft: „Euer Herr hat sich selbst Barmherzigkeit zum Gesetz vorgeschrieben; wer daher von euch aus Unwissenheit Böses getan hat und bereut es darauf und bessert sich, dem verzeiht er; denn er ist verzeihend und barmherzig.“ (6,54)

Erweise der Gnade Gottes
Schöpfung und Versorgung – Nachdem in Sure 16,3-16 vieles aufgezählt wurde, das Gott zum Nutzen der Menschen erschaffen hat, heißt es in Vers 18: „Wolltet ihr versuchen, die Wohltaten Gottes aufzurechnen, wahrlich, ihr könntet sie nicht zählen; denn Gott ist gnädig und barmherzig“.
Hilfe und Rettung in Not – In Sure 37,75-77 sagt Gott: „Noah rief uns einst an, und gnädig erhörten wir ihn und erretteten ihn und seine Familie aus großer Not…“ – Auch Mose und Aaron (37,114f), Jona (68,48f) und viele Andere erlebten Gottes gnädiges Erretten.
Gnade und ewige Rettung – In Sure 37,56f wird erzählt, wie einer, der die Freuden des Paradieses genießen kann, einem früheren Freund in der Hölle zuruft: „Bei Gott, nur wenig fehlte und du hättest mich mit in das Verderben gezogen. Hätte nicht die Gnade meines Herrn mich geschützt, so würde ich jetzt auch zu denen gehören, welche der ewigen Strafe überliefert werden.“
Gnade als Rechtleitung durch den Koran – Sure 55 beginnt: „Der Barmherzige, er hat den Koran gelehrt.“ – „Wir haben dir die Schrift nur deshalb geoffenbart, … dass sie Leitung und Gnade sei einem gläubigen Volk.“ (16,64) In vielen Variationen wird erwähnt, dass Gottes Gnade sich in der Offenbarung des Koran erweist (7,52f; 7,203f; 10,57f; 17,82+86-88; 44,56-58).
Der Islam als Erfüllung der Gnade – Gottes Gnade besteht letztlich darin, dass er den Menschen den Islam als Religion gegeben hat: „Heute habe ich für euch eure Religion vollendet und meine Gnade an euch erfüllt und für euch den Islam als Religion erwählt.“ (5,3 – ähnlich 3,103f)

Gnade und Vergeltung
Neben dem Reden von Gottes Barmherzigkeit steht im Koran die Ankündigung seines Richtens. An vielen Stellen werden Gnade und Bestrafung direkt nebeneinander erwähnt: „… dein Herr ist, selbst gegen sündhafte Menschen, voller Gnade; aber auch, wenn er straft, voller Strenge.“ (13,6) – 35,7: „Für die Ungläubigen ist schwere Strafe bestimmt, für die aber, die glauben und rechtschaffen handeln, Gnade und großer Lohn.“ (Vgl. auch 15,49f; 17,54)
Bei leichten Sünden wird des öfteren Gnade versprochen: „Denjenigen, welche große und schändliche Sünden vermeiden und sich nur leichtere Vergehen zuschulden kommen lassen, wird dein Herr sich leicht versöhnlich zeigen.“ (53,32; ähnlich 16,119)
Die Bedingungen, die ein Mensch erfüllen muss, um Gnade zu erhalten, sind z.B.:
Reue: „Er ist es, der die Reue seiner Diener annimmt und die Sünden vergibt und weiß, was ihr tut“ (42,25) – nach 2,160 auch verbunden mit dem Eingeständnis von Schuld.
Glaube und rechtschaffenes Handeln: „Er erhört die, die glauben und rechtschaffen handeln und lässt ihnen mit Überfluss seine Gnade zuteil werden…“ (42,26)
Gnade und Belohnung – Gnade ist nicht einfach ein völlig unverdientes Geschenk. Menschliche Vorleistungen werden erwartet und belohnt – sogar überaus großzügig: „Diejenigen, welche die Schrift Gottes lesen und das Gebet verrichten, und heimlich und öffentlich Almosen geben …, die dürfen hoffen auf einen Kauf, der nie vergehen wird, und dass Gott ihren Lohn ihnen geben, ja, denselben nach seiner Huld noch vergrößern werde; denn er ist gnädig und lohnt gerne.“ (35,29+30; ähnlich 3,133+134) In welcher Beziehung aber Gottes Gnade und sein gerechtes Belohnen oder Bestrafen zueinander stehen, wird nirgends klar mitgeteilt.

Gnade (und Gerechtigkeit) unter Gottes Allmacht
In Sure 26,9.68.104.122 und manchen anderen Stellen wird gesagt: „aber dein Herr ist der Allmächtige und Allbarmherzige“. Wie diese beiden Eigenschaften sich zueinander verhalten, bleibt offen. Es scheint, dass der Allmacht das größere Gewicht zukommt: „Die Gnade, welche Gott den Menschen erzeigt, kann niemand zurückhalten, und was er zurückhält, das kann niemand außer ihm erzeigen. Nur er ist der Allmächtige und Allweise.“ (35,2) „Er begnadigt mit seiner Barmherzigkeit, wen er will, denn Gott ist groß in seiner Gnade.“ (3,74; vgl. bezüglich der Sendung Mohammeds auch 62,2-4).
Weil nach den Aussagen des Koran Gottes Gnade in einer letztlich ungeklärten Beziehung zu seiner Gerechtigkeit steht – und zudem die Gnade des Allmächtigen ist, der sich seinen Geschöpfen gegenüber nicht festlegt, gibt es auch für fromme Muslime keine Gewissheit der Gnade und der ewigen Errettung. So bleibt eigentlich nur als Ermutigung: „Verliert nicht die Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit. Gewiss, Gott vergibt alle Sünden. Er ist ja der Allvergebende und Barmherzige.“ (39,53)

Gnade als Angebot Gottes auf der Grundlage Seiner Heilstat – die biblische Sicht
Nun hat aber Gott schon längst Seine Gnade auf der Grundlage Seiner Gerechtigkeit offenbart. Der allmächtige Gott hat einen Weg gewählt, der deutlich macht: Seine Gnade steht nicht in einer unklaren Beziehung oder gar im Gegensatz zu Seiner Gerechtigkeit. Als gerechter Richter hat Er darauf geachtet, dass alle Forderungen des Gesetzes erfüllt werden und alle Schuld verurteilt und bestraft wird. Allerdings hat Er in Seiner Gnade, um uns sündige Menschen zu retten, unsere Schuld selber bezahlt in Jesus Christus. Er hat „den, der Sünde nicht kannte (Jesus Christus), für uns zur Sünde gemacht“ (2. Kor 5,21) und an Ihm alle Sünde rechtmäßig verurteilt und gerichtet. Weil nun alle Schuld „bezahlt“ ist, kann Gott dem Schuldigen mit Gewissheit zusagen: „Deine Schuld ist bezahlt; du bist frei.“
Auf dieser Grundlage bietet Er allen Vergebung und ewiges Leben an. Wer davon hört, muss sich entscheiden, ob er im Vertrauen auf Gottes Zusage dieses Angebot annehmen will. Gottes Gnade erfordert keine menschlichen Vorleistungen. Im Glauben an Jesus Christus wird sie als Geschenk empfangen – jetzt schon (nicht erst irgendwann am Tag des Gerichts), völlig frei und in völliger Gewissheit – denn es ist Gottes Geschenk.
Indem der Islam leugnet, dass Jesus Christus als Sohn Gottes für unsere Schuld am Kreuz gestorben ist, wird alles koranische Reden vom Barmherzigen und seiner Gnade im Grunde völlig entleert.

 

Orientierung 2013-05; 27.11.2013
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