Mohammed versucht in der Stadt Mekka 610 n.Chr. nach einer ersten übernatürlichen Erfahrung seine Botschaft vom Schöpfergott und dem kommenden Gericht Gottes an die Einwohner seiner Stadt weiterzugeben. Doch er stößt dabei auf massiven Widerstand seiner Zuhörer. Diese sind entweder Polytheisten, glauben also an viele Götter, oder Materialisten. Letztere glauben an gar nichts, auch nicht an die Auferstehung oder das Gericht. Mohammed verwendet deshalb im Verlauf seiner Karriere verschiedene Anknüpfungspunkte, um seine Zuhörer zu überzeugen. Er benutzt Redewendungen, Gleichnisse, greift auf Schriften der Juden und Christen zurück und übernimmt vorislamische Elemente, die in der Pilgerfahrt, im Gebetsritus, der Gebetsrichtung, dem Almosen ihren Niederschlag finden. Im Koran fällt eine Reihe von Gleichnissen auf, ca. 40 moralische Minigeschichten, die „amthal“ (Plural von „mathal“: Gleiches, Bild, Beispiel, Gleichnis) genannt werden. Diese koranischen Gleichnisse deuten oft nur Dinge an und erscheinen unfertig. Sie werden im Koran durchweg in Streitgesprächen mit Andersdenkenden angeführt. Nach muslimischem Verständnis ist der ganze Koran wörtliche Rede Gottes, auch wenn Mohammed oder seine Gegner zitiert werden. Demnach spricht also Allah folgende Worte: „Und wir haben den Menschen in diesem Koran allerlei Gleichnisse angeführt – auf dass sie es bedenken“ (Sure 39,27; A. T. Khoury, 1992) oder „Gott schämt sich nicht, als Gleichnis eine Mücke oder das, was darüber hinausgeht, zu nehmen“. Ziel dieser Erzählungen ist es, Menschen zu ermahnen, nur an den einen Schöpfergott Allah und an Mohammed als Prophet zu glauben. Meist werden in den Vergleichen Phänomene der Natur wie z. B. Unwetter herangezogen, um das plötzlich eintretende Jüngste Gericht und die bevorstehende Katastrophe für die Gottlosen zu beweisen (z. B. ein Fels mit Erdkrume wird zum blanken Fels, wenn der Regenguss ihn blankwäscht: 2,264; s.a. 2,19; 3,117). Das wohl längste Gleichnis ist der Bericht über zwei Männer. Einer bekommt zwei fruchtbare Gärten geschenkt. Er wird überheblich und selbstzufrieden. Der andere Mann dagegen warnt ihn vor der himmlischen Abrechnung besonders in Bezug auf Götzendienst. Die Abrechnung tritt am Ende auch ein: die Gärten werden verwüstet (18,32-43). Man fühlt sich an das biblische Gleichnis vom reichen Kornbauern erinnert (Lk 12,16-21), dem vorgehalten wird, „nicht reich bei Gott zu sein“. Im koranischen Gleichnis geht es um die Vielgötterei und darum, dass man Gott keine Partner beigesellen darf, ein Kernthema im Koran. Mohammed geht sogar so weit, dass er ein biblisches Gleichnis vom Saatfeld auf sich und seine Anhänger bezieht (48,29 spielt evtl. auf Mt 13,2-8.31-32; Mk 4,26-29.30-32 an). Doch in den biblischen Saatgleichnissen geht es um die Verkündigung von Gottes Herrschaft und deren Entwicklung, wohingegen es im Koran um das Verhalten der Gläubigen (Muslime) in der Konfrontation mit den Ungläubigen (Nichtmuslimen) geht. Mohammed bedient sich auch des biblischen Gleichnisses vom Nadelöhr: „Denen, die unsere Zeichen für Lüge erklären und sich ihnen gegenüber hochmütig verhalten, werden die Tore des Himmels nicht geöffnet, und sie werden nicht ins Paradies eingehen, ehe denn ein Kamel durch ein Nadelöhr geht“ (7,40; vgl. Mt 19,24). Auch hier wieder eine apologetische Zuspitzung. Selbst Bilder, die von Wasser und Durst in der Wüste erzählen, sollen letztlich als Argumente dienen, vom Götzendienst abzulassen: „…Diejenigen, die sie an seiner Stelle anrufen, erhören sie in keinem Anliegen. Es ist nur wie mit einem, der seine Hände nach Wasser ausstreckt, damit es seinen Mund erreicht, aber es erreicht ihn nicht. Und das Rufen der Ungläubigen geht gewiss in die Irre“ (13,14 s.a. 24,39). Tiervergleiche dienen ebenso dazu, in der Diskussion widerspenstige Zuhörer endlich gefügig zu machen: „Was ist mit ihnen, dass sie sich von der Ermahnung abwenden, als wären sie aufgeschreckte Wildesel, die vor einem jagenden Löwen fliehen?“ (74,49-51; s.a. 62,5; 7,176). Auch hier geht es um die größte Sünde, Gott andere Götter beizugesellen. Wer der Vielgötterei anhängt, baut ein sehr schwaches Glaubensgebäude, wie das Netz einer Spinne (29,41). Der jüngste Tag mit der Auferstehung wird mit „ausschwärmenden Heuschrecken“ (54,7) und „verstreuten Motten“ (101,4) verglichen. Verdammte werden zur Hölle getrieben, wie eine Viehherde zur Tränke (19,86; vgl. 11,98; 26,155; 56,55). Besonders betont werden im Koran Katastrophengeschichten, die die Dringlichkeit von Mohammeds Botschaft unterstreichen sollen: „Ist denn der Bericht über die, die vor ihnen lebten, nicht zu ihnen gelangt, das Volk Noahs, die Ad und Thamud, das Volk Abrahams und die Gefährten von Madyan und die verschwundenen Städte?…“ (9,70; s.a. 6,6; 12,109). Doch Allah kann auch tote Städte wieder lebendig machen und beweist es einem, der daran zweifelt, indem er ihn für 100 Jahre tot sein lässt und wieder belebt (2,259). Fazit ist: Gott ist allmächtig. Doch Mohammed muss sich auch mit Gegnern auseinandersetzen, die wie er Gleichnisse verwenden, und zwar gegen ihn und seine Lehre „Schau, wie sie dir Gleichnisse anführen, und so abgeirrt sind, dass sie keinen Weg mehr finden“ (17,48; s.a. 25,9.33).
Fazit
Jeder kann Gleichnisse als Methode der Kommunikation benützen. Mohammed verwendet Gleichnisse oftmals in unvollständiger Form, um seine Zuhörer von seiner Sendung und Botschaft zu überzeugen. Im Gegensatz dazu geht Jesus Christus von seiner göttlichen Autorität aus, wenn er Gleichnisse erzählt. Er muss seine Autorität nicht erst beweisen. Er erzählt Gleichnisse als völlig ausformulierte Geschichten, die alleine für sich stehen können. Sie behandeln eine große Bandbreite von Themen: die Ausbreitung von Gottes Reich (z. B. Sauerteig Mt 13,33; Senfkorn 13,31-32); Verlorenes, das wiedergefunden wird (Lk 15,3-32); Barmherzigkeit (Lk 10,30-37; Mt 18,23-34; Lk 7,41-43); Hochmut (Lk 12,16-21); Nachfolge (z. B. Mt 20,1-16; 7,21-27); Gebet (Lk 11,5-8; 18,2-5; 18,10-14); Ehre (Lk 14,7-14); Ablehnung von Gottes Einladung (Lk 14,16-24; 13,6-9); neue Regeln (Mt 9,6); Christen sind wie Licht und Salz (Mt 5,13-14); Weltgericht (Mt 25,31-36). Gottheit von Jesus und seine Erlösung (Joh 11,25; 6,35; 10,12; 8,12; 10,9; 14,6; 15,1). Muslime sind es gewohnt, in Bildern auf religiöse Inhalte hingewiesen zu werden. Das können Christen im Gespräch mit ihnen nutzen.
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