Lust und Frust in langjährigen Beziehungen

Beim Studientag in Wiesbaden wurde ein britisches Ehepaar eingeladen. Als Christen sind sie in Deutschland und in der Türkei vielen Muslimen begegnet. Sie gaben Einblick in einige ihrer langjährigen Erfahrungen.

Überheblichkeit

In erster Linie sei es wichtig, so Mike, noch vor aller Information, „dass Christus in uns Gestalt gewinnt“ (Gal 4,19). Ich staunte, dass er diesen Aspekt so betonte. Er konkretisierte: „Ohne dass wir es merken, gibt es bei uns Überheblichkeit und ein Überlegenheitsgefühl. Da in Deutschland Muslime in der Minderheit sind, verteidigen sie gerne ihre Religion. Sie sollen bei uns feststellen, mit ihren Augen sehen: „dass Christen Ungläubige sind, ist doch nicht so, wie ich gedacht habe““.

Das lebendige Buch

Seine Erfahrung bei vielen türkischen Muslimen: Sie haben eine Abneigung gegen das Lesen. Deshalb nochmal sein Appell: „Was wichtig ist, seid ihr! Unsere Erfahrung ist, dass viele empfindlicher sind als wir West-Europäer, ihre Körpersprache stärker ist, sie leicht beleidigt sein können und ihr Wissen über den Islam limitiert ist. Für eine persönliche Beziehung zu Gott haben sie oft kein Bewusstsein.“

Männer

In der Begegnung mit Männern stellte er fest: Fußball ist ein beliebtes Gesprächsthema. Und Ehre ist eine große Sache. Männer haben ein echtes Problem damit, sie haben Angst vor Gerede. Eigene Schuld zuzugeben ist für sie eine große Hürde.

Frauen

Ros ergänzt aus ihren Erfahrungen mit Frauen: „Es wichtig, zu einer Gruppe von Frauen zu gehören. Sie haben ein großes Bedürfnis nach Wertschätzung. Angst haben sie vor hintenherum Reden und Ausschluss aus der Gruppe. Pflegen wir Beziehungen miteinander, können folgende Bereiche zu Problemen führen: unsere begrenzte Zeit, etwas wird als Beleidigung verstanden, verborgene Motive, finanzielle Hilfe und das Bedürfnis, uns gefallen zu wollen.“

Medizin gegen Frust

Beide Referenten fassen zusammen, wie Christen im langjährigen Dienst an Menschen geistlich tiefer gehen können: „Es gehört ein Stück Frust dazu! Zur Freude kommt der Schmerz. Deshalb ist es wichtig, im vertrauten Aufblicken zu Jesus zu arbeiten, dem anderen einfach mal zu dienen und im Gebet nicht nachzulassen. Ob wir etwas an Veränderung sehen oder nicht, in Christus zu sein ist wichtig. Dabei glauben, dass Gott etwas tut, dass er es wachsen lässt. Jesus selbst nahm Knechtsgestalt an, machte sich zu nichts. Neben 2. Thess 3,5 kann Gal 4,19 wie ein Leitvers sein, in dem beispielhaft von Geburtswehen gesprochen wird, die es auszuhalten gilt, bis Christus in einer Person Gestalt angenommen hat.“

Daraus wird erkennbar, wie sehr dieses Ehepaar sowohl an sich als auch an einzelnen Personen gearbeitet haben, damit Christus in Wort, Tat und Verhalten sichtbar wird.

 

Orientierung 2016-02; 01.07.2016
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