Die Ruhr gibt einem Städtegebiet mit dichtem Verkehrsnetz ihren Namen. Der Kohleabbau lockte vor rund 150 Jahren bis ca. 1965 viele Arbeiter an, große Industrien entstanden. Danach begann ein enormer Strukturwandel. Wie in anderen Industriestandorten leben in der Metropole Ruhr viele Menschen mit Migrationshintergrund. Als Christen und Orientdienst-Mitarbeiter sehen wir eine Chance, sie mit Jesus bekannt zu machen.
Es war einmal ein kleiner Junge, der in der Nähe der Ruhr Schafe hütete. Abends entzündete er ein Feuer auf freiem Feld. Als es am nächsten Morgen hell wurde, war das Holz längst verbrannt. Aber – das Feuer glühte immer noch! Die Erde kokelte und qualmte. Die ganze Wiese brannte. Die herbeigerufenen Eltern trauten ihren Augen nicht: Ihr kleiner Sohn hatte die Steinkohle entdeckt. Fortan heizten sie ihren Ofen damit. Das „schwarze Wunder“ sprach sich schnell herum. So die Legende aus dem Mittelalter. Um 1370 begann im westlichen Ruhrgebiet der Abbau.
Im Ruhrgebiet, dem Ruhrpott oder der Metropole Ruhr leben ca. 5,1 Mio. Menschen. Es gibt ein Ruhrparlament, in dem 11 kreisfreie Städte und 4 Kreise vertreten sind. Ein Drittel der Landesbevölkerung Nordrhein-Westfalens lebt hier auf nur 13 Prozent der Landesfläche. Die Einwohnerdichte beträgt 1.140 Einwohner/km², der Bundesdurchschnitt liegt bei 230 Einwohner/km². Die Bevölkerungszahl des Ruhrgebiets ist eng verknüpft mit seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Während der Industrialisierung stieg die Bevölkerung zwischen 1850 und 1925 von 400.000 auf 4,2 Mio. an. Nach Bevölkerungsverlusten durch den Zweiten Weltkrieg kletterte die Bevölkerungszahl bis 1961 auf ihr bisheriges Maximum von 5,6 Mio. Mit Beginn der Kohle- und Stahlkrise wanderten viele Arbeitskräfte ab. Nach dem Zusammenbruch der DDR stiegen die Zuwanderungszahlen vorübergehend, in den vergangenen Jahren ist erneut ein Rückgang der Bevölkerungszahlen zu beobachten – die sich laut Prognosen bis 2030 auf 4,8 Mio. reduzieren werden.
Kohleflöze ließen im 19. und 20. Jahrhundert Kohleförderung und Kokereien entstehen. Ein Besuch im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum, dem weltgrößten Bergbau-Fachmuseum übrigens, hilft, Kohle „zu begreifen“. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten im Bergbau können Kohleflöze bis in 1.500 m Tiefe abgebaut werden. Ohne den Abbau und die Verwendung der Steinkohle wären im Ruhrgebiet die großen Industriewerke, das verzweigte Eisenbahnnetz, die Eisenhütten und andere Industriezweige gar nicht entstanden. Besonders durch die Steinkohle mit noch reichlichen Reserven haben Millionen von Menschen Arbeit gefunden. In Kohlekraftwerken werden große Mengen Kohle „verstromt“, d.h. in elektrische Leistung umgewandelt. In Deutschland liegt der prozentuale Anteil an der gesamten Stromerzeugung bei 43,6 % – 18 % durch Steinkohle und 25,6 % durch Braunkohle (2014). Als Öl und später Erdgas und Kernenergie zunahmen, ist insbesondere bei der Wärmeversorgung der Haushalte der Kohlebedarf ständig zurückgegangen. Daher wurden in den 60er und 70er Jahren viele Schachtanlagen stillgelegt, was Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. Wurden laut Lingen-Lexikon in der BRD 1963 noch 142 Mio. t Steinkohle gefördert, waren es 1972 nur noch 102 Mio. t. Die Kohlekrise kam 1958 völlig unerwartet – das Zechensterben setzte ein. 1970 war deutsche Steinkohle auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Staatliche Zuschüsse für verbliebene Bergbaubetriebe gibt es nur noch bis 2018.
Die EU pumpt Geld nach NRW, etwa aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) oder dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Zusammen mit Mitteln der Landesregierung fließen seit dem Jahr 2000 rund 4,5 Milliarden Euro – in Freizeiteinrichtungen, Bildung, Forschung, Umweltschutz, Wirtschaft. In der neuen Förderperiode stehen ab diesem Jahr bis 2020 rund 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung, die Hälfte davon kommt von der EU. Viele neue Radwege entstehen mit Hilfe von EU-Mitteln.
Der Wandel ist in vollem Gange. Heute laden Bergbau-Museen, grüne Revierparks und Freizeitzentren ein, freie Zeit dort zu verbringen. Mit der Ruhr. Topcard gibt es freien Eintritt bzw. Ermäßigungen in über 90 Zoos, Museen, Freizeitbädern, Besichtigung von Industrie-Kultur u.a.m. Durch Sport wie Fußball sind Städte wie Dortmund, Gelsenkirchen-Schalke und mehrere andere in vieler Munde. Die Industrie hat sich verlagert. Autos werden hergestellt. Über 750.000 kleine und mittlere Unternehmen bilden das wirtschaftliche Rückgrat der Region. Daneben haben in NRW umsatzstarke Unternehmen wie Bayer, Deutsche Telecom, E.ON, Metro, RWE, REWE, ThyssenKrupp ihren Sitz. Der Strukturwandel vollzieht sich weg von Industrie hin zu Dienstleistungen (1970: 42,3 % – 2013: 70,8 %).
Durch Moscheebauten v.a. in den vergangenen 20 Jahren wird sichtbar, dass eine Minderheit muslimisch orientiert ist: türkische, arabische, bosnische, iranische, deutsche Muslime. Diese Gruppen gehören unterschiedlichen Dachverbänden an. Das Miteinander zwischen Deutschen und Migranten, die sich gerne in bestimmten Stadtteilen wie Duisburg-Marxloh, Dortmund-Nordstadt ansiedeln, ist ein Übungsfeld. Jeder vierte Bürger in NRW ist Migrant oder hat Migrationshintergrund. In Städten wie Köln (32,4 %), Düsseldorf (31,9 %) oder Duisburg (31,0 %) sogar jeder dritte (im Jahr 2009). Das Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, religiöser und kultureller Prägungen ist v.a. im Schulalltag sehr direkt und unausweichlich. Hier können und sollen sich konstruktive Formen des Miteinanders entwickeln.
Wie Jesus seine zwölf Jünger in die Welt sandte, so hat er heute Christen mit Wort und Tat als Boten beauftragt: „Gehet hin zu allen Völkern der Welt und macht die Menschen zu meinen Jüngern“. (Mt 28,19) Und wenn Menschen aus verschiedenen Völkern im Ruhrgebiet leben, sollen sie durch uns Christen von Jesus hören. Die Apostelgeschichte der Bibel veranschaulicht, wie sich die Gute Nachricht in den damaligen Metropolen wie Antiochia, Ephesus, Thessalonich, Athen und Rom verbreitet hat. Gottes Liebe hat die Menschen verändert und tut es heute. Wenn Jesus klarstellt, dass er uns wie Schafe mitten unter Wölfe sendet, macht er damit bewusst, dass seine Boten nicht überall auf Wohlwollen stoßen werden. Jesus rät, klug und ohne Hinterlist vorzugehen. Was bedeutet es wohl praktisch, angesichts eines feindlich Eingestellten „feurige Kohlen auf sein Haupt zu häufen“ (Spr 25,22)? Jesus hat uns seine unsichtbare Gegenwart zugesichert. Das Evangelium ist es wert, auch im Ruhrgebiet bekannt gemacht zu werden. Der Orientdienst ist vor vier Jahren bewusst nach Dortmund gezogen, um es selbst zu tun und um andere Christen dazu zu ermutigen. Wie gut, dass es unter Migranten unterschiedlicher Herkunft bereits zahlreiche Christen, Kleingruppen und Gemeinden gibt.
(Quellen: www.derwesten.de; www.metropoleruhr.de; www.rp-online.de; www.energie-lexikon.info)
Kohle ist ein natürlicher Brennstoff pflanzlichen Ursprungs. Unter Druck und Luftabschluss verkohlten die Pflanzen und bildeten zunächst die Braunkohle, später und in tieferen Schichten die wertvollere schwarze Steinkohle.
Orientierung 2015-03; 01.08.2015
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