Die Hazara, ein Volk in Afghanistan
Im Bamiyan-Tal des zentralen Hochlands befindet sich das Stammland der Hazara, das Hazarajat. Die Hazara sprechen vorwiegend einen Dialekt des Persischen namens Hazaragi, der mongolische und turksprachige Worte enthält.
Diese Volksgruppe zählt zur drittgrößten Ethnie Afghanistans (Schätzungen reichen von 9 bis 20 % der Gesamtbevölkerung) und ist mehrheitlich schiitisch. Im Süden und Osten des Landes leben ca. 42 % Paschtunen. Sie sprechen Paschto und haben seit dem 18. Jh. eine vorherrschende Rolle in der afghanischen Politik. Übrigens ist im Persischen die Bezeichnung ”Afghān” gleichbedeutend mit Paschtune. Außerdem leben im Norden die Tadschiken mit ca. 25 % und die Turkvölker der Usbeken (ca. 9 %) und der Turkmenen (ca. 5 %). Die Tadschiken sprechen einen Dialekt des Persischen, der Dari heißt und in Afghanistan neben Paschto als eine der beiden Standard-Sprachen gesprochen wird.
Die Hazara – ursprüngliche Bewohner?
Die Hazara selbst sehen sich als die Ureinwohner Afghanistans. Forscher gehen davon aus, dass sie von den Kushanen abstammen, die etwa zwischen 100 und 250 n. Chr. ein großes Gebiet beherrschten. Außerdem glauben sie, dass vor Ankunft des Islam die Hazara Buddhisten waren. Denn Bamiyan war die wichtigste Drehscheibe der buddhistischen Zivilisation. Aus der Presse ist Bamiyan bekannt, weil die Taliban hier im März 2001 die riesigen Buddha-Statuen zerstörten, die später Weltkulturerbe der UNESCO wurden und wieder restauriert werden sollten. Weitere Forscher nehmen an, dass die Hazara von den Turk-Mongolen abstammen. Ihrem Aussehen nach sind Hazara wegen ihrer tendenziell eher zentralasiatischen Geschichtszüge meist als ihrer Volksgruppe zugehörig zu erkennen.
In Bamiyan besteht die Bevölkerung zu 67 % aus Hazara. Die meisten Hazara in Kabul wohnen in dem überbevölkerten westlichen Stadtteil Dasht-e Barchi. Die größte Exil-Gemeinschaft der Hazara lebt in Pakistan, von denen ca. 0,5 Mio eingebürgert sind. An zweiter Stelle sind viele Hazara in den schiitischen Iran geflüchtet. Weitere leben im Irak, Indonesien und anderen Ländern. Nach Deutschland sind ca. 30.000 Hazara gekommen. Davon leben allein in Bayern ca. 6.000 – viele in München. Sie machen sich um ihre Verwandten in ihrer Heimat bzw. in Pakistan große Sorgen.
In München gibt es das Afghanische Kulturhaus des Hazara Volkes e.V..
Eine Geschichte von Unterdrückung und Verfolgung
Die Geschichte der Hazara ist geprägt von Unterdrückung, Ausgrenzung und Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit im Lande. Paschtunen haben um 1892 beabsichtigt, ihr Land einzunehmen, stießen aber auf Widerstand der Hazara. Abdur Rahman Khan ließ den Aufstand niederschlagen und verfolgte diese Volksgruppe. Tausende brachte er als Sklaven nach Kabul. So waren die Vorfahren der heutigen Hazara noch Sklaven, ihre Eltern Bauern oder Tagelöhner. Bis vor wenigen Jahren wurden sie in Afghanistan wie Aussätzige behandelt und dienten als Karrenschieber oder Tagelöhner. Als die Taliban in den 1990er Jahren an die Macht kamen, begannen sie, die Hazara systematisch zu verfolgen.
Für die sunnitischen Hardliner waren sie Ungläubige. Es kam zu Massakern und Zwangskonvertierungen. Wer konnte, floh. Nach dem Sturz der Taliban verbesserte sich die Lage der Hazara. Einige stiegen in einflussreiche Positionen in Politik und Gesellschaft auf, wurden Parlamentarier, Gouverneure und stellten den Vizepräsidenten. Und auch wenn die Hazara in den vergangenen 20 Jahren weiter diskriminiert wurden, wenn die Taliban und der lokale Ableger des sogenannten Islamischen Staates Anschläge auf ihre Schulen und Krankenhäuser verübten, entwickelte sich eine starke Zivilgesellschaft.
Keine Zukunft in Afghanistan
Viele Hazara besuchten Schulen und Universitäten. Zahlreiche Hazara, mit denen die Deutsche Welle (DW) gesprochen hat, sehen unter der Taliban-Herrschaft keine Zukunft für sich in Afghanistan. Ihnen drohe „ethnische und religiöse Verfolgung“, sagt Mahdi Raskih, der bis zuletzt im afghanischen Parlament saß, die Hazara seien „in Lebensgefahr.“
Mehr als 6.000 Afghanen, darunter viele Hazara, sind ins pakistanische Quetta geflohen, berichten Quellen vor Ort. Die Stadt hat selbst eine große Hazara-Gemeinde. Die Geflüchteten seien in den Moscheen oder bei Einheimischen untergekommen.
Ein kritischer Diskurs mit Blick auf den Islam ist in der afghanischen Gesellschaft kaum ausgeprägt. Die schiitischen Muslime, insbesondere die Hazara, haben seit 2001 einen sozio-politischen Aufstieg durchlebt. Sie werden aber auch immer wieder zum Ziel terroristischer Anschläge durch ISPK (steht für Islamischer Staat Provinz Khorasan). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) stufte für 2019 allein zehn Anschläge mit 117 Toten und 368 Verletzten als religiös-motiviert und gegen Schiiten gerichtet ein. Beim schwersten Anschlag tötete ein Selbstmordattentäter am 17. August 2019 auf der Hochzeit eines schiitischen Brautpaars über 90 Menschen und verletzte ca. 140.
Christen in Afghanistan
Open Doors schätzt die Anzahl der Christen in ganz Afghanistan auf „einige Tausend“. Die wenigen Sikhs, Hindus und Bahais im Land erfahren kaum mehr Freiheit als Christen. Viele Christen leben ihren Glauben im Geheimen, da ein Wechsel vom Islam zum christlichen Glauben nach islamischem Recht als inakzeptabel gilt. Nicht ohne Grund stuft Open Doors Afghanistan auf Platz 2 des Weltverfolgungsindex ein. Die christliche Religion wird in Afghanistan als westlich betrachtet, sowie als feindlich gegenüber der einheimischen Kultur und Gesellschaft und dem Islam. Für die meisten Familien stellt ein Glaubenswechsel eine große Schande dar. Die Familienmitglieder werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um Konvertiten zum Islam zurückzubringen oder für die Schande büßen zu lassen.
Quellen: Wikipedia, DW, Zeit.de, qantara.de, Open Doors, Religionsfreiheit/BMZ.de, Hazara-online
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