Militante Gruppen in Deutschland werben für den Dschihad

(Bonn, 30.04.2014) Auch die islamischen Dachverbände müssen sich konkreter als bisher mit dem Anspruch und der Argumentation des Salafismus auseinandersetzen, um der zunehmenden Radikalisierung den ideologischen Nährboden zu entziehen. Das fordert der Islamwissenschaftler Carsten Polanz vom Institut für Islamfragen anlässlich der rasant zunehmenden Zahl deutscher Dschihadisten (vor allem in Nordrhein-Westfalen und Hessen), die an der Seite islamistischer Rebellen im syrischen Bürgerkrieg kämpfen.

Die gesamtgesellschaftliche Herausforderung erkennen
Gleichzeitig sollte sich laut Polanz die gesamte Gesellschaft genauer mit den Gründen und Prozessen der Radikalisierung junger Menschen in westlichen Gesellschaften auseinandersetzen. Muslimische Migranten der zweiten und dritten Generation sind häufig auf der Suche nach ihrer Identität, fühlen sich aufgrund tatsächlicher oder empfundener Ablehnung weder in Deutschland noch in ihren Herkunftsländern zu Hause. Die Fülle westlicher Freiheiten scheint schwer mit der moralischen Orientierung vereinbar, die der traditionelle Islam gibt. Salafistische Organisationen gehen mit ihren jüngsten Einsätzen in Fußgängerzonen und auf deutschen Schulhöfen gezielt auf junge Migranten zu, bieten den Entwurzelten in ihrer eng verschworenen Gemeinschaft ein neues Zugehörigkeitsgefühl und malen ihnen den Einsatz für eine gerechte Sache und die Wiederherstellung ihrer Ehre als „Heilmittel“ ihrer manchmal durch Brüche gekennzeichneten Biographie vor Augen.

Polanz macht weiterhin darauf aufmerksam, dass die klaren Regeln und einfachen Feindbilder salafistischer Gruppen auch anziehend auf die zunehmende Zahl deutscher Konvertiten wirken. Diese sind häufig vom westlichen Materialismus enttäuscht und sehnen sich in einer zunehmend individualistischen und relativistischen Gesellschaft nach mehr Gemeinschaft und moralischer Eindeutigkeit. Um Warnsignale frühzeitig zu erkennen und Radikalisierung vorzubeugen, bevor dafür Anfällige im Teufelskreis von Rückzug und Ablehnung gefangen sind, ist es nach Polanz notwendig, die im Westen um sich greifende Sprachlosigkeit in Glaubens-, Werte- und Sinnfragen zu überwinden. Es gelte jungen Menschen zu zeigen, dass ein offener und respektvoller Umgang mit Andersdenkenden starke eigene religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen nicht ausschließen muss. Wenn muslimische Migranten jedoch den Eindruck gewönnen, dass nur Religionslosigkeit mit Demokratie und Freiheitsrechten kompatibel sei, würden diese schwerlich Akzeptanz finden.