in Bibel, Koran und früheren Schriften

In der Bibel wird die Geburt von Jesus am Anfang vom Matthäus- und Lukasevangelium beschrieben und im Koran besonders in Sure 3 und 19. Wir beginnen direkt mit dem Bericht über die Geburt von Jesus.

Maria und Josef müssen von Nazareth nach Bethlehem ziehen, weil Kaiser Augustus das Volk zählen lassen will. Den geschichtlichen Kontext, derzeitige Herrscher und Ortsnamen, erfahren wir nur aus der Bibel. Jesus wird in Bethlehem geboren, in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt (Lk 2). Im Koran hingegen zieht sich Maria an einen fernen Ort unter eine Palme zurück (Sure 19,22 f). Dort soll sie von einem Bach trinken und eine Palme schütteln, um frische Datteln zu bekommen (Sure 19,25f).

Das apokryphe Matthäusevangelium, aus dem 6. Jh. nach Christus, beschreibt es ähnlich. Maria sagt hier: “Wenn es möglich ist, möchte ich gern von den Früchten der Palme haben.“ „Da sagte das (frisch geborene) Jesuskind, das mit fröhlicher Miene auf dem Schoß seiner Mutter saß, zu der Palme: ‚Neige dich, Baum, und erfrische meine Mutter mit deinen Früchten!‘ … Und sogleich auf diesen Ruf neigte die Palme ihre Krone bis zu den Füßen Marias, und man sammelte von ihr Früchte, an denen sich alle gütlich taten.“

Dieses apokryphische Matthäusevangelium entstand aber einige Jahrhunderte nach der Geburt von Jesus, als die Zeitzeugen bereits lange verstorben waren.

Der Koran und die Bibel beschreiben Jesus von Geburt an als ohne Sünde (Hebr 7,26-27). Die Bibel berichtet, dass Engel zu den Hirten auf dem Feld kommen; und sie erzählen von einem Retter, der in der Krippe geboren wurde (Lk 2,8-14). Die Hirten machen sich sofort auf den Weg nach Bethlehem, dort sehen sie das Kind und loben Gott. Jesus heißt auf Hebräisch Jeschua (= ‚Rettung’ oder ‚Gott rettet’, vergl. Lk 2,15-21; Mt 1,25) und der Engel sagt, dass er Immanuel genannt werden soll (Gott mit uns), so wie es der Prophet Jesaja Jahrhunderte zuvor angekündigt hatte (Jesaja 7,14).

Als Maria und Josef Jesus in den Tempel bringen, um ihn dort nach der Tradition Gott zu weihen, nimmt der gottesfürchtige Simeon Jesus in die Arme und spricht: „… meine Augen haben den Retter gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern …” (Lk 2,22-35)

Auch die Prophetin Hanna, die auf die Erlösung Israels gewartet hat, lobt und dankt Gott, als sie Jesus erblickt. (Lk 2,39).

Weise Männer aus dem Osten haben sich inzwischen ebenfalls auf den Weg zum neuen König gemacht – geleitet von einem Stern Richtung Bethlehem machen sie Halt in Jerusalem und befragen Herodes, wo sich der neue König befindet. Seine Schriftgelehrten verweisen auf Bethlehem als Geburtsort des Messias. Dort überbringen die Weisen Jesus Geschenke – Gold, Weihrauch und Myrrhe (Mt 2,1-11) – und beten ihn an. Herodes ordnet die Tötung aller Kinder unter zwei Jahren in Bethlehem an. Engel warnen sowohl Maria und Josef, die mit Jesus nach Ägypten fliehen, als auch die Weisen, die auf einem Umweg in ihr Heimatland zurückkehren. Erst nach dem Tod des Herodes kehren Maria und Josef mit Jesus nach Israel zurück (Mt 2,19-20).

Im Koran wird von all dem nichts berichtet. Wir erfahren hier, dass Marias Verwandtschaft ihr ‚Unerhörtes’ vorwirft, nämlich ein uneheliches Kind zur Welt gebracht zu haben (Sure 19,27). Auf diesen Vorwurf reagiert Maria mit Schweigen, so wie es ihr geboten worden war Sure 19,26). Sie verweist auf das Baby (Sure 19,29). „Wie sollen wir mit einem kleinen Kind in der Wiege reden?” antworten darauf ihre Verwandten. Das Baby Jesus jedoch erwidert: „Seht, ich bin Allahs Diener. Er hat mir das Buch gegeben und mich zum Propheten gemacht. Und er machte mich gesegnet, wo immer ich bin, und befahl mir Gebet und Almosen, solange ich lebe.” (Sure 19,30-32; vgl. Ankündigung Sure 3,46).

Solche Berichte finden wir in der Bibel nicht. Doch im arabischen ‚Kindheitsevangelium’ (ebenfalls aus dem 6. Jh nach Christus) sagt Jesus „Ich bin Jesus, der Sohn Gottes (und bin) Logos, den du geboren hast, wie dir der Engel Gabriel angekündigt hat; und mein Vater hat mich gesandt, um die Welt zu retten“ (Khev, Kapitel 1).

Wie verstehen Muslime und Christen die Geburt Jesu?

Für Muslime ist die Geburt Jesu ein Wunder Allahs. Mariam (die arabische Form des Namens Maria) ist die einzige Frau im Koran, die namentlich erwähnt wird eine besondere Ehrung. Jesus wird im Koran ein ‚Gesandter’ genannt (Sure 4,171), dem Allah das Evangelium, das ‚Indschil’, gegeben hat. Aus christlicher Sicht erfüllt die Geburt von Jesus zahlreiche Prophezeiungen aus dem Alten Testament: sein Geburtsort wird z. B. von dem Propheten Micha angekündigt (Mi 5,1), die Tötung der Kinder in Bethlehem von dem Propheten Jeremia (Jer 31,5), die Flucht nach Ägypten von dem Propheten Hosea (Hos 11,1). Vor allem jedoch werden sein Auftrag und seine hohe Bestimmung vorausgesagt. Für Christen ist Gottes Wort ein Mensch geworden – und mit seinem Kommen hat die Verwirklichung des Rettungsplanes Gottes für alle Menschen begonnen.

„Und ihr“, wollte Jesus wissen, „für wen haltet ihr mich?“
Petrus antwortete: „Für Christus, den von Gott versprochenen Retter!“

aus: Orientierung: M # spezial 2 | 2023