Die deutsche Sprache lernen – eine Herausforderung und Chance für Neuankömmlinge
Seit im Jahr 2005 verpflichtende Deutsch-Integrationskurse für Zuwanderer eingeführt wurden, ist das Bewusstsein für die Bedeutung von guten Sprachkenntnissen gewachsen. So kann man in öffentlichen Nahverkehrsmitteln gelegentlich hören, dass ein Ausländer den anderen fragt: „Hast du schon B1?“ Er meint damit die Sprachprüfung DTZ, d. h. den Deutschtest für Zuwanderer. Ein B1-Sprachzertifikat bescheinigt Sprachkenntnisse auf mittlerem Niveau und wird vor allem dann ganz wichtig, wenn man einen deutschen Pass beantragen will.
Die unter unseren ausländischen Mitbürgern gewachsene Offenheit gegenüber der deutschen Sprache ist für uns als Christen eine riesengroße Chance. Wir finden nämlich über dieses Thema leicht einen Zugang zu Ausländern – und gerade auch Muslimen – und können sie sozusagen nebenbei mit dem Evangelium bekannt machen.
Wie kommt das und wie könnte das konkret aussehen?
Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig Beziehungen für einen gelingenden Spracherwerb sind. Wenn wir bereit werden, uns auf freundschaftliche Beziehungen zu Ausländern einzulassen, werden wir ihnen enorm helfen, die deutsche Sprache zu meistern. Als Muttersprachlern ist uns in der Regel gar nicht klar, wie schwer es ist, Deutsch als Fremdsprache zu erlernen!
Wenn wir es wagen, uns auf eine Beziehung zu einem Deutschlernenden einzulassen, der die Sprachprüfung vor sich hat, dann ist es gut, etwas über die Inhalte der DTZ-Prüfung zu wissen.
Zum einen geht es darum, mündliche kommunikative Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Man soll etwas über sich erzählen können – auch über eigene Erfahrungen und Meinungen, und man soll in der Lage sein, in deutscher Sprache etwas auszuhandeln. Es liegt auf der Hand, dass all das viel leichter fällt, wenn man auch außerhalb des Deutschkurses gute und intensive Kontakte in deutscher Sprache pflegen kann.
Die anderen drei Prüfungsteile betreffen das Hör- und Leseverstehen sowie die Fähigkeit, selbst einen kleinen alltagsrelevanten formellen oder informellen Brief zu schreiben.
Was also gut trainiert werden muss, ist Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben. Wenn man diese Prüfungserfordernisse im Hinterkopf hat, kann man sehr kreativ werden und alle erdenklichen Kommunikationswege im Rahmen einer freundschaftlichen Beziehung bewusst zur Sprachförderung nutzen. Durch E-Mails, SMS oder Whatsapp-Nachrichten oder sogar Briefpost können wir die schriftliche Sprachkompetenz fördern, Anrufe sowie Nachrichten auf dem Anrufbeantworter fördern das Hörverstehen.
Bei der mündlichen und schriftlichen Kommunikation kann es um ganz banale Dinge gehen, aber unser ausländischer Freund muss spüren, dass er uns wirklich wichtig ist. In Gesprächen können wir erfahren, für welche Themen er sich interessiert und was ihn beschäftigt, und wir bringen ihm echtes Interesse entgegen. Ganz praktisch können wir unserem Freund auch helfen, wenn wir gemeinsam mit ihm Zeitungs- oder Internetanzeigen durchgehen, weil er einen Job, ein Auto, eine Wohnung, einen Ausbildungsplatz, einen Facharzt oder was auch immer sucht. Wichtig ist dabei, dass wir ihm die Arbeit nicht abnehmen, sondern lediglich unterstützen. Denn in der Prüfung wird das eigenständige Leseverstehen für solche Alltagsdinge verlangt.
In ähnlicher Weise kann man auch gemeinsam Radionachrichten oder Auszüge aus einer deutschen CD hören und sich über den Inhalt austauschen, um das Hörverstehen zu trainieren. Es wäre sogar denkbar, gemeinsam eine Vortragsveranstaltung zu besuchen.
Ganz natürlich werden wir auf der persönlichen Beziehungsebene immer wieder ein wenig von dem weitergeben können, was uns als Jesus-Nachfolgern wichtig ist. Vielleicht finden wir sogar eine Möglichkeit, unsere Gemeinden zu öffnen und mit einem regelmäßigen „Sprach-Café“ Menschen beim Deutschlernen und der Integration zu unterstützen.
Als Kursleiterin in Integrationskursen habe ich festgestellt, dass der Unterricht für einen gelingenden Spracherwerb nicht ausreicht. Wenn es außerhalb des Kursraumes keine bedeutsamen Begegnungen und Beziehungen für die Lernenden gibt, bleiben sie sprachlich auf der Strecke. Auch wenn die Migranten natürlich selbst in der Pflicht sind, an ihren deutschen Sprachkenntnissen zu arbeiten, brauchen sie ein Umfeld, das offen für sie ist. Genau da sehe ich einen Auftrag und eine große Chance für uns Christen.
Lassen wir uns durch die Liebe von Jesus motivieren, auf Menschen zuzugehen, die durch die Zuwanderungspolitik bereits eine gewisse Offenheit gegenüber unserer Sprache und Kultur haben und sich nach Verständnis, Teilhabe und Gemeinschaft sehnen?
Orientierung 2014-01; 15.02.2014
Sie dürfen diesen Artikel frei kopieren unter Angabe der Herkunft: orientierung-m.de