Für die obere Wohnung sorgen!

Wie erzähle ich einem Türken etwas von Gott, der nur an sein Haus in der Türkei denkt? Wie finde ich eine Brücke?

Mehmet ist 70 Jahre alt und versteht sich immer noch aufs Haareschneiden. Er wohnt seit über 30 Jahren in einer deutschen Großstadt und hat einen kleinen Friseursalon. Weil er nur 8,- Euro für den Schnitt verlangt, macht es nichts aus, dass er schlecht hört, fast nur Türkisch spricht und schon älter ist. Immer sind Kunden da, auch viele Deutsche. Durch einen Bekannten wurde ich auf ihn aufmerksam. Er ist dem Namen nach Muslim, trinkt aber schon mal Alkohol. Eigentlich wollte er schon seit langem mit der Arbeit aufhören und in Rente gehen, aber das geht noch nicht. Er hat jahrelang nicht in die Rentenkasse eingezahlt, weil er dachte, er werde wieder in die Türkei zurückkehren. Jetzt muss er bis ins hohe Alter arbeiten.

Eigentlich hat er einen wohlhabenden Sohn, der Geschäftsführer eines Betriebs in der Autozulieferungsbranche ist. Er schwärmt von ihm, dass er es zu etwas gebracht hat. Doch das hilft ihm nicht. Sein Sohn hat, wie viele andere Türken, die Lebensweise der Deutschen an manchen Punkten übernommen: „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.“ Man kümmert sich nur noch wenig um Familienangehörige und andere, weil man keine Zeit mehr hat. In der Türkei wird das ganz anders gelebt. Da ist noch Hochachtung vor dem Alter, Hilfsbereitschaft und Verbindlichkeit in der Familie ganz wichtig. Doch darüber will er nicht sprechen.
Als ich ihn diesmal besuche, bete ich vorher, wie ich einen Zugang zu seinem Herzen finden kann. Zeugen Jehovas haben ihn schon oft besucht, es aber anscheinend aufgegeben. Was kann ich ihm nur sagen? In Gedanken ist er bei seinem Haus, das er, wie viele andere Deutschtürken, in der Türkei als Alterswohnsitz gebaut hat. Es ist vierstöckig, und er vermietet zwei Ebenen. Sein ganzer Kopf ist beschäftigt mit dessen Pflege und Reparaturen. Ich höre mir seinen Bericht an und frage ihn laut: „Haben Sie denn auch für das Haus dort oben gesorgt?“ Ich zeige dabei mit dem Finger nach oben. Er versteht zuerst nicht, sagt aber dann, dass es da schlecht bestellt sei. Er sei kein Heuchler, wie viele andere, die in der Moschee beten und danach böse handeln. Er habe hier und dort gespendet und geholfen. Auf meine Frage: „reicht das für die Wohnung im Himmel?“, ist er unsicher. Er wiegt zweifelnd seinen Kopf.

Ich erzähle von Jesus Christus und erkläre ihm, dass uns Jesus einen sicheren Platz im Himmel besorgen kann ohne unsere guten Werke. Das interessiert ihn. Ich veranschauliche ihm auf einem Stück Papier, dass wegen unserer Sünde zwischen Gott und uns ein großer Abgrund klafft. Jesus ist für uns wie eine Brücke, die uns hilft, über den Abgrund zu gelangen. Er ist bewegt. Doch da sprudelt es nur so aus ihm heraus: „Wie kann das sein? Die Bibel soll doch gefälscht sein. Stimmt das? Christen sagen, dass Jesus Gott ist. Gott kann keinen Sohn haben! Es gibt doch nur einen Gott.“

Im ersten Moment bin ich völlig überrascht. Dieser alte und überhaupt nicht religiöse Mann hat diese typisch muslimischen Einwände immer im Hinterkopf gehabt, die mir wie eine „Gehirnwäsche“ aus Kinderzeiten vorkommen. Und die türkischen Medien haben bei ihm eine weitere Barriere gegen Christus aufgebaut. Deshalb versuche ich, ihm in kurzen Sätzen einige Punkte zum Nachdenken mitzugeben, die ihm helfen, diese Hürden zu überwinden. Wir verabschieden uns herzlich. Was wird davon übrig bleiben?
Als ich ihn das nächste Mal besuche, ist er überschwänglich und freut sich offensichtlich. Es geht ihm wieder um sein Haus und um andere Sorgen. Er spricht das Thema nicht an, von dem Haus weiter oben. Ich warte und bete für den nächsten Zeitpunkt, an dem ich etwas sagen kann!

So geht es vielen Türken in Deutschland. Sie haben Sorgen, wie wir auch. Machen sich Hoffnungen, die nicht halten. Zusätzlich schwer haben sie es durch Sprachprobleme, durch Vermischung der Kulturen und die daraus folgende Bindungslosigkeit. Beschämt stellen wir wiederholt fest: bevor wir als Christen ihnen begegnen, waren schon die Zeugen Jehovas bei ihnen. Die typisch muslimischen Argumente gegen die Erlösung durch Christus blockieren ihren Zugang zum Glauben. Und doch bieten sich Gelegenheiten, dass wir ihnen den Weg zeigen. Nutzen wir sie!

 

Orientierung 2010-05; 20.11.2010

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