Im Gespräch mit Europäern ist persönlicher Glaube oft ein Tabuthema. Man schweigt darüber und macht es zu einer Privatsache, die niemanden etwas angeht.
Ganz anders erlebte ich das in der Begegnung mit türkischen Muslimen während meines Praktikums beim Orientdienst. So fragte mich beispielsweise eine junge Frau, warum ich Christin sei und ob ich mich ganz ernsthaft damit auseinandergesetzt hätte oder einfach nur so erzogen worden sei. Sie wollte es wirklich wissen. Über Religion zu sprechen, ist in ihrer Kultur etwas ganz Natürliches. Auf diese Weise konnte ich ihr einiges aus meinem Leben erzählen, sie stellte Rückfragen und erzählte ihrerseits von dem, was sie diesbezüglich beschäftigt und teilweise auch quält; ihr eigener Glaube scheint ihr keinen Halt zu geben.
Jedes Mal aufs Neue stelle ich fest, dass es enorm wichtig ist, meinen eigenen Glauben zu kennen, zu lieben und zu bezeugen, was er mir persönlich bedeutet – viel wichtiger, als auf alle theologischen Probleme eine Antwort zu haben.
Muslime sprechen von Integration und missionieren zugleich
Ich machte im September 2009 ein zwölftägiges Kurzpraktikum beim Orientdienst. Mein Ziel war es, diese Arbeit einfach einmal kennenzulernen. Muslime in Deutschland mit dem Evangelium erreichen – wie sieht das in der Praxis aus? Was für Möglichkeiten gibt es? Was kann ich dazu beitragen?
Ich half also mit ein paar kleinen Jobs im Büro, machte Besuche und bekam einen Einblick, was es alles zu tun gibt und wer mitarbeitet. Ich hörte von der Geschichte des OD, sah, wie die „Orientierung“ entsteht, faltete Blätter für türkische Bibelfernkurse und war auf Besuch bei türkischen Christen…
Und ich lernte viel über den Islam. In der Theorie, aber auch direkt in der Praxis: Meine Praktikumszeit fiel in den Ramadan und an einem Abend veranstalteten muslimische Vereine ein öffentliches Fastenbrechen auf einem öffentlichen Platz in Wiesbaden. Es wurden ein Zelt, Tische und Bänke aufgestellt, unzählige Frauen, Vorzeige-Musliminnen mit Kopftüchern hatten Essen mitgebracht, orientalische Musik lief im Hintergrund. Jeder, der Interesse und den Mut dazu hatte, war eingeladen, sich dazuzusetzen. Vor dem Fastenbrechen hielten Stadtpolitiker und muslimische Leiter Reden über Integration und Zusammenleben.
Neben dem Zelt gingen die Gespräche in eine andere Richtung – dort stand der dazugehörige Büchertisch mit Informationen über den Islam. Diese Informationen waren klar missionarisch, was Bücher mit Titeln wie „Wie werde ich Muslim?“ oder Vorträge von Pierre Vogel deutlich machten. Ich sah mir die Literatur an und kam ins Gespräch mit zwei jungen Muslimen, die den Büchertisch betreuten. Sie meinten, wenn ich ehrlich auf der Suche sei, müsse ich letzten Endes zum Islam finden; es tue ihnen Leid, aber wer die Botschaft von Muhammad höre und nicht annehme, komme in die Hölle. So direkt hatte mir das noch nie ein Muslim gesagt! Ich konnte ihnen auch einiges von meinem Glauben sagen und zum Schluss Johannes 3,16 mitgeben, vor allem aber etwas mitnehmen: eine Erfahrung, wie überzeugt manche Muslime vom Islam sind. Wie ernsthaft sie versuchen, ihn zu verbreiten.
Wie sieht es mit mir aus? Brenne ich dafür, über Jesus zu reden? Auch mit Muslimen? Sage ich meinen Zuhörern ehrlich und mit Weisheit, dass sie Jesus als Retter brauchen?
Interessanterweise hatte am selben Platz am Vormittag eine christliche Veranstaltung stattgefunden. Ein guter Gegenpol! Christliche Gemeinden hatten zu Gegrilltem, zu Gesprächen und evangelistischen Botschaften eingeladen. Es waren viele Leute gekommen, es hatte gute Gespräche gegeben, auch Bekehrungen. Leider kamen wegen des Ramadan kaum Muslime…
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