Suche nach einer „verlorenen Tochter“

Eine mir bis dahin nicht wirklich bekannte junge marokkanische Frau klingelt am Abend an unserer Wohnungstür. „Sie haben doch Beziehungen zum Frauenhaus,“ meint sie. „Können Sie bitte ‚mal mitkommen…!?“ – Da wir gerade Gäste erwarten, sage ich, dass es jetzt sofort nicht möglich ist, aber dass ich morgen gerne bereit bin zu kommen. – Eine Weile später (die Gäste sind bereits da) ruft ein Mann an – und schließlich wird für den nächsten Nachmittag ein Termin vereinbart.

Da wir keine Ahnung haben, worum es eigentlich geht, begleitet mich mein Mann zu dem Besuch. Wir treffen eine sehr betrübt aussehende Mutter an, den Vater und zwei Töchter, von denen eine als Übersetzerin fungiert, da die Mutter weder gut Deutsch noch Arabisch versteht (sie ist Berberin). – Offensichtlich hat die Familie davon gehört, dass durch meine Vermittlung einmal in einer anderen Familie eine sieben Jahre zuvor verschwundene und seither verschollene Tochter sich wieder bei ihrer Familie gemeldet hatte. (Für mich war das eine Gebetserhörung und Gottes gnädige Führung.)

Die Familie erzählt uns: Die an einem anderen Ort in Deutschland verheiratete Tochter ist vor drei Tagen von ihrem Mann weggelaufen und seitdem verschwunden. „Sie haben doch Beziehungen zu Frauenhäusern. Können Sie uns helfen?“ – Die traurige Mutter bekennt, dass sie wohl die Klagen ihrer Tochter über die Probleme in ihrer Ehe nicht ernst genug genommen und sie nur beschwichtigt hat …

Ich teile ihnen mit, dass ich keine besonderen Beziehungen zu Frauenhäusern oder zur Polizei habe. “Die einzige wichtige ‚Beziehung‘, die ich habe,“ sage ich, „ist die zu Gott im Gebet.“ – „Ja, ja,“ sagt der Vater, „wir beten auch. Aber in dieser Not hat meine Frau einen großen Fehler begangen. Sie ist zu einer Wahrsagerin gegangen – und das ist im Koran verboten.“ – „Ja,“ sage ich, „das ist wirklich ernst. Auch in der Bibel sagt Gott, dass das eine schlimme Sünde ist – und wenn Sünde zwischen uns und Gott steht, kann Er unsere Gebete nicht hören. (Gerade an diesem Morgen hatte ich u. a. Jesaja 59,1+2 gelesen.) Aber ich habe eine gute Nachricht für Sie: Die Bibel sagt auch (1. Joh 1,7c + 9): ‚Das Blut Jesu Christi macht uns rein von aller Sünde, wenn wir sie Gott bekennen‘.“

Hier schreitet die übersetzende, sehr religiöse Tochter ein: „Wir haben Sie gerufen, um uns zu helfen, nicht um von Ihrer Religion zu reden…!“ – Mit dem Versprechen, dass wir beten und dass ich versuchen will, was irgend ich kann, um die Tochter ausfindig zu machen, verlassen wir die Familie – und eine erleichtert aussehende Mutter.

Gott schenkt Gnade! Durch einen hilfreichen Polizeibeamten und eine daraufhin kontaktierte Polizistin, die tatsächlich „Frauenhaus-Beziehungen“ hat, wird die Tochter informiert. – Nach weiteren zwei Tagen meldet sie sich bei mir und auch bei ihren Angehörigen. Zehn Tage nach ihrem Verschwinden ist sie wieder bei ihrer Familie! Eine Weile danach bringt eine Tochter leckeres Gebäck und ein Schmuckstück in einem Kästchen als „Dankeschön“. – Leider wird ein intensiverer Kontakt nicht möglich. Aber längere Zeit danach treffe ich die Mutter, die inzwischen besser Deutsch gelernt hat. „Das vergesse ich nie“, sagt sie. „Immer, wenn ich Sie sehe, denke ich daran…“ – Auch hier ist kein längeres Gespräch möglich; aber ich bete immer wieder, dass unser Herr ihr noch tiefer begegnet.

Orientierung 2011-02; 20.04.2011