„Es steht geschrieben…“

Neues Testament und Koran berufen sich jeweils auf die früheren Offenbarungsschriften. Sie tun dies aller-dings auf sehr unterschiedliche Art.
Wer das Neue Testament liest, stößt immer wieder auf die Wendung: „Es steht geschrieben…“ Dann folgt ein Zitat aus dem Alten Testament. Damit wird ein Argument begründet oder eine falsche Behauptung zurück ge-wiesen. Für die Schreiber und Leser der neutestamentlichen Schriften war völlig klar: Es gibt eine Heilige Schrift; was dort steht ist zuverlässig, und jeder kann es nachprüfen, indem er es schlicht und einfach nachliest – in Schriften, die vorhanden und jedem zugänglich sind.

Den meisten von uns ist dieser Sachverhalt so vertraut, dass er uns gar nicht als etwas Besonderes erscheint. Ich erinnere hier nur (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) an einige Beispiele, wie im Neuen Testament auf alt-testamentliche Texte zurückgegriffen wird. In der Regel wird dabei vorausgesetzt, dass sie den Lesern bzw. Hörern bekannt sind.

JESUS CHRISTUS UND DIE HEILIGE SCHRIFT
Jesus weist den Versucher dreimal ab, indem er auf das geschriebene Wort Gottes hinweist: „Es steht ge-schrieben: …“ (Mt 4,4.7.10) Er hat die Texte selber gelesen und sich eingeprägt. Sie sind für Ihn von absoluter Autorität. Sie geben Ihm Orientierung und Kraft zum Widerstand.

In Diskussionen antwortet Jesus oft: „Habt ihr nicht gelesen …?“ (Mt 12,3+5; 19,4; 21,16+42 und öfter) Mit dem schriftlich fixierten Wort Gottes begründet und verteidigt Er Sein Tun. Seine Kritiker können Seine Lehre und Sein Verhalten anhand der überlieferten Schriften überprüfen.

Jesus zeigt Seinen Jüngern, dass in bestimmten Ereignissen Seines Lebens „die Schrift erfüllt“ wird (Mt 13,13f; 26,54.56 u.ö.). – Am ausführlichsten erklärt Er es ihnen wohl als der Auferstandene: „Dies sind meine Worte, die ich zu euch redete, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was über mich geschrieben steht in dem Gesetz Moses und in den Propheten und Psalmen.“ (Lk 24,44)

DIE EVANGELISTEN UND DIE HEILIGE SCHRIFT
Auch in den Evangelien finden wir oft Formulierungen wie: „damit die Schrift erfüllt würde“ (z. B. Mt 2,15.17.23; Mk 14,49; Lk 4,21; Joh 13,18 …). Eine Fülle von Prophetien, die Jahrhunderte vorher aufgezeichnet worden waren, werden im Leben von Jesus Christus geschichtliche Realität. Jeder kann nachlesen und erken-nen, dass Gott Seine Verheißungen erfüllt!

DER APOSTEL PAULUS UND DIE HEILIGE SCHRIFT
Der Apostel Paulus zitiert in seinen Briefen oft Texte aus dem Alten Testament. Auch für ihn ist das Evangeli-um die Erfüllung der früheren Verheißungen Gottes. Durch seine Hinweise auf das Gesetz und die Propheten lädt Paulus jeden ein zu überprüfen, ob seine Botschaft im Einklang steht mit dem „alten“ Wort Gottes. Beson-ders bei seinen Ansprachen in den Synagogen weist er auf die vorliegenden Schriften hin. Die Juden von Beröa reagieren angemessen: Sie „untersuchten täglich die Schriften, ob dies sich so verhielte.“ (Apg 17,11)

MOHAMMED UND DIE SCHRIFTEN
Nach islamischen Überlieferungen war Mohammed Analphabet. Seit seiner Berufung (etwa im Jahr 609, im Alter von 40 Jahren) überbrachte ihm der „Engel Gabriel“ mündlich einzelne Offenbarungen; Mohammed sprach sie nach und gab sie mündlich an seine Anhänger weiter, die sie auswendig lernten und aufschrieben.

Dass Mohammed Analphabet war, ist im Islam in doppelter Weise von Bedeutung: 1) Alles, was er weitergab, soll er direkt von Gott durch unmittelbare Offenbarung empfangen haben. Er hat es nicht vorher in anderen Schriften gelesen. – 2) Dass jemand, der nicht lesen und schreiben konnte, ein solches sprachliches Meister-werk wie den Koran hervorgebracht hat, sei nur als ein göttliches Wunder zu erklären.

Mohammed konnte nicht selber überprüfen, ob seine „Offenbarungen“ mit den früheren Schriften überein-stimmten, und ob er wirklich eine Offenbarung von Gott empfangen habe. Seine Frau Chadidscha und deren Vetter Waraqa Ibn Naufal bestätigten ihn darin und sahen in ihm einen Propheten Gottes (zunächst wohl nur für die Araber). Dabei konnten sie sich allerdings auch nicht auf klare Aussagen aus früheren prophetischen Schrif-ten berufen.

BESTÄTIGT DURCH DIE SCHRIFTEN?
Mohammed erhob den Anspruch, ein Prophet des einen wahren Gottes zu sein. Ihm wurde „offenbart“, dass seine Botschaft mit der der früheren Propheten übereinstimme. Was allerdings im Koran an biblischen Überlie-ferungen vorkommt, wirkt sehr bruchstückhaft, teilweise verzerrt und entstammt zum Teil außerbiblischen Quellen. Die biblischen Fragmente werden zu einem neuen Bild zusammengesetzt; es finden sich erhebliche Unterschiede und Widersprüche zu biblischen Aussagen, so dass man von einem anderen Jesus-Bild und einem anderen Gottesverständnis sprechen muss.

Das war allerdings für die Menschen in seiner Umgebung zunächst nicht überprüfbar. Es gab höchstens Teile der Bibel in Arabisch. Weder seine Anhänger noch seine Gegner in Mekka scheinen Zugang zu anderen Über-setzungen oder gar zu den ursprünglichen hebräischen und griechischen Texten gehabt zu haben. Damit hing alles von Mohammed ab: dass seine Offenbarungen wirklich von dem einen wahren Gott stammten und dass er sie richtig verstand und korrekt weitergab.

Die meisten Juden, die ihre Schriften hatten und lesen konnten, lehnten ihn ab! – Christen ließen sich zum Teil durch die positiven Aussagen des Koran über Jesus Christus täuschen – z. B. der christliche abessinische König, bei dem Muslime Asyl gesucht hatten. Andere Christen (z. B. von Nadschran, einer Stadt im südwestli-chen Saudiarabien) waren nicht bereit, Mohammeds Prophetenanspruch anzuerkennen.

SCHWARZ AUF WEISS
Schriftlich fixierte Texte bieten eine Absicherung gegenüber der Schwäche und Manipulierbarkeit des menschlichen Gedächtnisses. Unser Erinnerungsvermögen ist begrenzt. Unterschiedliche Personen „speichern“ Sachverhalte teilweise ganz unterschiedlich. Dazu kommt noch, dass Unangenehmes, Beschämendes leicht „vergessen“, verdrängt wird.

In der Bibel liegt das Wort Gottes inzwischen seit Jahrtausenden in schriftlicher Form vor. Ein großer Teil der Zeitgenossen von Jesus und Paulus konnte lesen und hatte Zugang zu den Schriften. Sie konnten – und sollten – anhand der Schriften überprüfen: ist Jesus Christus der von Gott gesandte Erlöser? Anhand dieser Schriften können auch wir überprüfen, ob Mohammed ein Prophet Gottes ist und ob der Koran sich wirklich auf die bibli-schen Bücher stützen kann – und wir sollten uns die Mühe machen, das gründlich zu tun.

Wer immer wissen will, was Gottes Botschaft für uns Menschen ist, kann es nachlesen – in Schriften, die zu-verlässig überliefert wurden und bis heute vorhanden sind. Jeder kann überprüfen, wie Gott Seine Verheißun-gen verwirklicht hat. Und jeder ist eingeladen, den „Praxistest“ zu machen: ob Jesus Christus hält, was Er verspricht.

Orientierung 2015-02; 29.05.2015
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