Was hindert uns, von unserem Glauben, unserer ewigen Rettung zu reden? Noch zu viele Muslime haben nichts vom Kern der Guten Nachricht gehört. Jesus sendet uns. Gemeinsames Gebet überwindet unsere Scheu und Kraftlosigkeit.
Türken sprechen so selbstverständlich über den Glauben wie über Geld, Fußball oder Politik. Unter Deutschen gilt es beinahe als peinlich, sich religiös zu äußern. Wir haben uns daran gewöhnt, das Thema Glaube auszuklammern. Andererseits ist Suche nach Halt, nach Orientierung, nach innerer Kraft im Religiösen ungebremst. „Hauptsache, es hilft mir bei der Bewältigung meiner stressigen Situation“, so die Meinung. Manche bedienen sich wie im „religiösen Supermarkt“: etwas für Entspannung, etwas für Wohlbefinden, etwas für Motivation. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse verfasste ein Buch mit dem Titel: Religion ist keine Privatsache. Darin stellt er fest, dass „Religion heute viel vitaler ist, als die Religionskritiker vorhergesehen haben … Religionslosigkeit kann gefährlich sein“. Warum also gibt es so etwas wie eine Bremse in uns, wenn es darum geht, nicht nur zu einer Religion, sondern zu einer Person, unserem Herrn Jesus Christus zu stehen?
Gewiss, wir wollen nicht auffallen, nicht die Aufmerksamkeit auf uns ziehen, nicht anecken oder andern Stoff für Spott, Verachtung oder gar Ablehnung geben. Doch überall, wo wir uns als Christen unter Nicht-Christen bewegen, sollen wir ja Salz bzw. Licht sein. Türkische Mitbürger reagieren überrascht, wenn sie im Land der Christen, der Gavurlar (Ungläubigen, Gottlosen), jemand erleben, der seinen Glauben ernst nimmt, der Gott durch ein Dankgebet für das Essen dankt, der nicht lacht, wenn über den Herrn der Welt verächtlich geredet wird, der sogar über seinen Glauben spricht. Als Christen sollen wir zwar Gebet und Opfer nicht an die große Glocke hängen. Das Motiv dafür könnte ja sein, von andern Menschen gesehen und dafür geehrt zu werden. Jesus will keine Scheinheiligkeit, er sucht echte Barmherzigkeit.
Es besteht aber ein großer Bedarf an authentischen Christen, die offen „Flagge zeigen“: die selbstverständlich davon sprechen, dass ihnen ihr Glaube Orientierung gibt, die zu Glaubensfragen Stellung nehmen und auch muslimischen Bürgern gegenüber sagen, wie dankbar sie über Gottes Rettung durch Jesus sind. Dies ist schon deshalb zu raten, weil die Zahl der muslimischen Bürger wächst – allein durch eine höhere Geburtenrate. Dass wir es mit Menschen zu tun haben, die zunehmend neben ihrer Muttersprache auch Deutsch sprechen, erleichtert die Verständigung. Dadurch können wir unser Schweigen weniger leicht entschuldigen. In anderen Bereichen unserer Gesellschaft (im Verein, in den Kommunen, in Schulen…) bemüht man sich, die kulturellen Hürden zu meistern. Auch in unseren Gemeinden sind wir gefragt, kulturelle Kompetenz zu entwickeln.
Ein gewisser Trost: bereits die ersten Christen hatten Mühe, sich öffentlich zu Jesus zu bekennen, fühlten sich kraftlos, waren voller Angst. Wie Schafe unter die Wölfe sandte Jesus seine Leute aus. Von Anfang an war klar, dass nicht jeder mit Wohlwollen reagieren wird. Doch Jesus lässt seine Nachfolger nicht allein: „Fürchtet euch nicht vor diesen Menschen … jedes Haar auf eurem Kopf ist gezählt“, lesen wir in Mt 10,26+30. Weiter: „Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich bekennen am Gerichtstag vor meinem Vater im Himmel.“ Wie Boten, die zu einer Hochzeit einladen, möchte Jesus uns zu den Menschen schicken. In der Tat, es gibt Grund zu feiern. Durch das Geschenk der Vergebung bekommt ein Mensch Anteil am ewigen Leben.
In Apg 4,29-30 erfahren wir, dass eine ganze Gemeinde einmütig im Gebet um Kraft ringt, die rettende Botschaft von Jesus mutig und offen verkünden zu können. Selbst der Völkerapostel Paulus sucht in einem Brief an die Gemeinde in Ephesus nach Gebetsunterstützung, die frohe Botschaft in Kraft, mit den richtigen Worten und mit Freimut erzählen zu können. (Eph 6,19-20) Die Tatsache, dass Paulus verhaftet war, hat sogar zur Verbreitung der Guten Nachricht beigetragen. Seine Gefangenschaft hat viele Christen in Rom ermutigt, die Botschaft von Jesus „nun erst recht und ohne Furcht weiterzusagen“ (Phil 1,12-14). Türkische Christen, die in unseren Tagen immer wieder in Bedrängnis sind, würden es genau so zum Ausdruck bringen.
Wir sehen: Christsein in einer mehrheitlich gottfernen, gottlosen oder anders religiösen Gesellschaft kostet Kraft – diese Kraft darf erbeten werden. Wir sehen auch: Christsein heißt weder nur davon zu sprechen noch es nur still zu leben – zum authentischen Leben gehört auch das freie Reden über solch einen ungewöhnlichen und wunderbaren Retter und Herrn.
Orientierung 2013-01; 15.02.2013
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