Migration im ersten Jahrhundert

Aus unterschiedlichen Gründen verlassen Menschen ihre Heimat. Ein Umzug beinhaltet neben Arbeit, Kosten, Verlust von Freunden auch immer neue Chancen und Möglichkeiten. Die Bibel berichtet mehr nebenbei von Umzügen so z. B. von Aquila und Priszilla.


„In Deutschland verdiene ich bedeutend mehr“, sagte sich ein Türke aus Bulgarien, dem ärmsten Land der EU, der nach Frankfurt/Main zog und dort Arbeit fand. Eine Asyl suchende muslimische Familie aus Mazedonien lernte ich auf einer Konferenz kennen. Die Eltern kamen in Baden-Württemberg zum Glauben an Jesus. Weil ihr Asyl-Antrag abgelehnt worden war, kehrten sie nach einigen Jahren wieder als Christen in ihre Heimat zurück. Bei einem kurdischen Ehepaar war es ähnlich. Auch sie lernten in Hessen beim Lesen der Bibel und durch die Begegnung mit Christen Jesus kennen. Sie konnten nicht hier bleiben, aber in Frankreich Fuß fassen und erzählen anderen kurdischen Landsleuten von ihrem Schatz, den sie in Jesus gefunden haben. Auch Christen fliehen aus Ländern wie Syrien, Eritrea oder dem Irak, weil sie Angst um ihr Leben haben.

Umzüge von Aquila und Priszilla
Aquila und Priszilla sind mindestens viermal umgezogen. Das entnehmen wir den wenigen biographischen Hinweisen im Neuen Testament. Was uns aber von ihnen überliefert ist, ist bedeutend. Was sich wohl über unser Leben als bleibend herauskristallisieren wird?

1. Umzug: Von Aquila wird in Apostelgeschichte 18 berichtet, dass er als Jude in der Küstenregion Pontos lebte, das am Süd-Ufer des Schwarzen Meeres lag. Er war nach Rom gezogen. Den Grund hierfür kennen wir nicht. War es die Ausbildung? Lebten hier jüdische Verwandte? Klappte hier die Vermarktung der Zeltstoffe besser? In Rom regierte Kaiser Claudius. Im Jahr 49 n. Chr. kam es wegen Auseinandersetzungen um einen gewissen „Chrestus“ dazu, dass er alle Juden aus Rom auswies – oder zumindest diejenigen, die an Jesus Christus glaubten. War die Anzahl der Juden in Rom zu groß geworden? Ließ er nur ihre Versammlungen verbieten? Nach Geschichtsschreiber Josephus sicherte der Kaiser grundsätzlich den Juden in Rom Rechte und Freiheit wie allen anderen Juden im Reich zu. Dass Claudius die römische Rechtsprechung sehr vorantrieb, zeigt sich daran, dass er bis zu 20 Verordnungen pro Tag herausgeben konnte.

2. Umzug: Ausleger vermuten, dass Aquila und Priszilla bei ihrem Umzug nach Korinth bereits Christen waren. Auch hier arbeiteten beide in ihrem Handwerk als Zeltmacher. Eine Wohnung war gefunden. Sie war so groß, dass sie wie selbstverständlich auch Platz für Gäste hatten. Als der Apostel Paulus nämlich in Korinth eintraf, lernten sich die Berufs-Kollegen kennen und fachsimpelten sicher über Herstellung und Vermarktung von Zeltstoffen, über Gründe der Vertreibung und über den Glauben an Christus. Naheliegend war eine Zusammenarbeit im selben Gewerbe. Paulus wurde sogar bei Aquila und Priszilla eine Bleibe als Gast angeboten. Als die Mitarbeiter von Paulus, Silas und Timotheus, aus Mazedonien nachkamen, konnte sich Paulus ganz seiner eigentlichen Aufgabe widmen. Ihm war es wichtig, zuerst den dortigen Juden zu bezeugen, dass Jesus der versprochene Retter, der Christus, ist. Da sich in der Synagoge Widerstand erhob, setzte Paulus seine für Christus werbende Verkündigung im Haus eines Griechen – durch eine Vision bestärkt – noch gut ein Jahr fort.

3. Umzug: Der jüdische Widerstand mündete in eine Anklage vor dem römischen Statthalter. Für Paulus kam die Zeit, sich „den Staub von den Sandalen abzuschütteln“. Sein Ziel war, über Syrien nach Jerusalem zu reisen, um u. a. dort persönlich eine Geldspende zu übergeben. Aquila und Priszilla begleiteten Paulus über die Ägäis nach Ephesus (Apg. 18,18f). Offenbar zogen auch sie es vor, weiteren Anfeindungen aus Glaubensgründen zu entgehen. Wieder fanden sie eine Wohnung in der Hafenstadt und arbeiteten weiter als Zeltmacher. Da zog aus dem nord-afrikanischen Alexandria ein begeisterter Jesus-Anhänger zu, Apollos. Er war ein gebildeter, wortgewandter Mann, der sich bestens in den Heiligen Schriften auskannte. In öffentlichen Gesprächen widerlegte er die Argumente der Juden und bewies aus ihren Schriften, dass Jesus der versprochene Christus ist. Er kannte jedoch nur die Taufe nach Johannes mit Wasser, nicht die Taufe mit dem Heiligen Geist. Priszilla und Aquila bemerkten dieses Defizit und wagten es als Handwerker, dem Gebildeten die christliche Lehre noch genauer zu erklären.

4. Umzug: Nach dem Tod des Kaisers Claudius (54 n. Chr.) kehrten sie nach Rom zurück. Dort versammelten sich in ihrem Haus, wie schon vorher in Korinth und Ephesus, die Christen, die Paulus im Römerbrief grüßen lässt. Über Priszilla und Aquila schreibt er: „Unter Einsatz ihres Lebens haben sie mich vor dem Tod gerettet. Nicht nur ich schulde ihnen dafür Dank, sondern auch alle nichtjüdischen Gemeinden.“ (Rö 16,3-5)

Türken in Bulgarien erlebten in den 1990er Jahren eine geistliche Erweckung. Nun sind viele nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten. Ihr Unternehmergeist ist nicht zu kritisieren, doch Gott mahnt durch Jakobus, ihn in allem Planen einzubeziehen (Jak 4,13-17). Sie brauchen geistliche Begleitung, Gemeinschaft mit Christen. Wir können von ihnen lernen und hören, was der lebendige Gott unter ihnen bewirkt hat. So beinhalten Umzüge zwar Veränderungen, Abschiede, Kosten, aber bieten neue Gelegenheiten, im Glauben zu reifen oder den Glauben weiter zu geben. Schließlich sind wir als Christen alle „unterwegs zu der Stadt, die kommen wird“ (Hebr 13,14).

Erklärung: Aquila = Adler. Priska = alt, ehrwürdig. Priszilla = Verkleinerungsform von Priska.
Pontos: Viele der pontischen Griechen sprechen heute noch das pontische Griechisch (Rumca).
Orientierung 2013-04; 05.09.2013
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