In der „Islamischen Charta“, die der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ 2002 veröffentlicht hat, heißt es: „Der Islam ist die Religion des Friedens“. Moderne, westlich geprägte Muslime betonen gern: „Islam“ bedeutet Friede. – Im Blick auf das arabische Wort „Islam“ ist diese Aussage jedoch nicht korrekt; zwar sind „Salam“ (Friede) und „Islam“ von der gleichen Wortwurzel abgeleitet; „Islam“ bedeutet aber nicht „Friede“, sondern „Hingabe, Unterwerfung“. – Was sagt der Koran zum Thema Frieden?
1. Die Hoffnung auf ewigen Frieden
Sure 19,61: (Sie werden in) die Gärten von Eden (eingehen), die der Barmherzige seinen Dienern … versprochen hat… 62 Sie hören darin kein (leeres) Gerede, sondern nur (das Grußwort), Heil! = Friede (salam) – Im Koran findet sich eine ganze Reihe ähnlicher Stellen (Sure 7,46; 10,10; 14,23; 35,58). – Der Herausgeber einer erläuterten Koranübersetzung, Yusuf Ali, erklärt zu den zitierten Versen, das Wort „Salam“ habe eine sehr weite Bedeutung: außer dem Aspekt der Sicherheit umfasse es auch Gesundheit, Befreiung, Harmonie mit unserer Umgebung und Zufriedenheit. „All diese Bedeutungsnuancen sind in dem Wort ‚Islam‘ enthalten. Der Himmel ist deshalb die Vervollkommnung des Islam.“ – In diesem Sinn können wir sicherlich sagen, dass auch der Islam auf Frieden hofft und letztlich Frieden will. Friede wird demjenigen zugesagt, der der Leitung Gottes folgt (20,47). „Friede“ sprechen die Engel den Sterbenden zu, wenn sie Gott fürchten und sich in ihrem Erdenleben gut verhalten haben (16,32). Das heißt Frieden findet der Mensch für sich persönlich durch den Islam, wenn ihm als Muslim am Tag des Gerichts der Zugang ins Paradies eröffnet wird. Ob er dieses Ziel tatsächlich erreicht, kann er allerdings während seines Erdenlebens nicht wissen.
2. Friede und Krieg im Koran und im Leben Mohammeds
Was sagt der Islam nun zum Frieden auf Erden, und wie soll dieser Friede zustande kommen? – Viele Aussagen des Koran über Frieden und den Gegensatz dazu, Kampf und Krieg, sind Offenbarungen, die Mohammed in konkreten Situationen empfangen haben soll. Nach seiner Berufung begann Mohammed, seine Mitbürger in Mekka aufzurufen, den Glauben an eine Vielzahl von Göttern aufzugeben und sich dem einen wahren Gott, Allah, zuzuwenden. Er stieß aber bei der Mehrheit auf Ablehnung und immer stärker werdende Anfeindungen. Zunächst erhielt er den Rat, die Angelegenheit Gott zu überlassen (43,89): Sei nun nachsichtig gegen sie und sag: ‚Heil!‘ (oder: Friede!). – Was er äußern sollte, klingt recht tolerant (109,1): Sag: Ihr Ungläubigen! 2 Ich verehre nicht, was ihr verehrt, 3 und ihr verehrt nicht, was ich verehre… 6 Ihr habt eure Religion, und ich die meine. – Einige Muslime berufen sich im Gespräch mit Christen auf solche und ähnliche Verse; vor allem zitieren sie oft Sure 2,256: In der Religion gibt es keinen Zwang. Als die Situation für Mohammed in Mekka unerträglich wurde, wanderte er mit seinen Anhängern im Jahr 622 nach Medina aus. Von dort aus griffen die Muslime Karawanen ihrer mekkanischen Widersacher an – einmal sogar in einem der „heiligen Monate“, in denen Kampfhandlungen verboten waren. Mohammed begründete dieses Verhalten mit folgender Offenbarung (2,217): Man fragt dich nach dem heiligen Monat, (nämlich) danach, (ob es erlaubt ist) in ihm zu kämpfen. Sag: In ihm ist Kämpfen ist ein schweres Vergehen (w. wiegt schwer). Aber (seine Mitmenschen) vom Weg Gottes Abhalten ‑ und nicht an ihn Glauben ‑ und (Gläubige) von der heiligen Kultstätte (Abhalten), und deren Anwohner daraus Vertreiben, (all das) wiegt bei Gott schwerer. Und der Versuch, (Gläubige zum Abfall vom Islam) zu verführen, wiegt schwerer als Töten. Und sie (d. h. die Ungläubigen) werden nicht aufhören, gegen euch zu kämpfen, bis sie euch von eurer Religion abbringen ‑ wenn sie (es) können…
Wenn Muslime angegriffen werden, ja, schon wenn sie gehindert werden, den Islam zu praktizieren, oder wenn jemand versucht, sie von ihrer Religion abzubringen, ist Gegenwehr für sie gerechtfertigt. Der Kampf darf jedoch nicht auf unrechtmäßige Weise geführt werden und muss abgebrochen werden, wenn die Gottlosen sich bekehren (2,190): Und kämpft um Gottes willen gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen! Aber begeht keine Übertretung (indem ihr den Kampf auf unrechtmäßige Weise führt)! Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen. 191 Und tötet sie (d. h. die heidnischen Gegner), wo (immer) ihr sie zu fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben! … 192 Wenn sie jedoch (mit ihrem gottlosen Treiben) aufhören (und sich bekehren), so ist Gott barmherzig und bereit zu vergeben. 193 Und kämpft gegen sie, bis niemand (mehr) versucht, (Gläubige zum Abfall vom Islam) zu verführen, und bis nur noch Gott verehrt wird!… – Wenn die Götzendiener bereit waren Frieden zu schließen, sollte Mohammed sich ebenfalls dem Frieden zuneigen (8,60+61). Friede erscheint hier als Ende der Auflehnung und des Kampfes gegen den Islam (ähnlich Sure 4,90). Der Kampf kann sich nach der späten Sure 9 auch gegen die Buchbesitzer (Christen und Juden) wenden (9,29): Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören ‑ von denen, die die Schrift erhalten haben ‑ (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut entrichten! – Auch hier kommt der Kampf zu einem Ende, wenn sie keine Bedrohung für die islamische Ordnung mehr darstellen, sondern sich ihr unterwerfen und Tribut bezahlen. Grundloses und wahlloses Töten ist im Islam ein schweres Verbrechen (5,32): Aus diesem Grund (d. h. aufgrund des Brudermords von Kain) haben wir den Kindern Israels vorgeschrieben, dass, wenn einer jemanden tötet, (und zwar) nicht (etwa zur Rache) für jemand (anderes, der von diesem getötet worden ist) oder (zur Strafe für) Unheil (das er) auf der Erde (angerichtet hat), es so sein soll, als ob er die Menschen alle getötet hätte. Und wenn einer jemanden (w. ihn) am Leben erhält (w. lebendig macht), soll es so sein, als ob er die Menschen alle am Leben erhalten (w. lebendig gemacht) hätte…
Im Koran finden sich also neben Worten der Toleranz für die Anhänger anderer Religionen auch aggressive Aufrufe zum Kampf – vor allem in späteren Offenbarungen, die nach der traditionellen Auffassung die wichtigeren sind für das Verhalten der Muslime. Dabei wird aber versucht, einer willkürlichen und maßlosen Gewaltanwendung Grenzen zu setzten. Allerdings erscheint mir fraglich, ob der Koran in ausreichender Weise deutlich macht, wie gefährlich (aus biblischer Sicht unmöglich) es ist, die Herrschaft Gottes durch Anwendung von Gewalt aufbauen oder auch nur fördern oder schützen zu wollen.
3. Gegenwärtige Tendenzen
Im Islam gibt es gegenwärtig – grob gesagt – hauptsächlich folgende zwei Auffassungen:
1) die anti-islamischen Kräfte sind noch längst nicht überwunden; auch wenn nicht ein unmittelbarer militärischer Angriff von ihnen ausgeht, bekämpfen sie doch die islamische Welt durch wirtschaftlichen Druck und negative kulturelle Beeinflussung; deshalb ist es gerechtfertigt oder sogar geboten, gegen sie Krieg zu führen.
2) der Islam steht nicht mehr vor der Bedrohung seiner Existenz und muss nicht mehr um sein Überleben kämpfen; deshalb ist ein Kampf gegen die Ungläubigen nicht mehr in der Weise nötig wie zur Zeit Mohammeds; allerdings besteht das Recht, sich gegen Angriffe zu verteidigen; aber Friede ist in jedem Fall dem Krieg vorzuziehen.
Adel Theodor Khoury schreibt dazu: „Zwar sind die Verfechter einer Theorie des Friedens in der islamischen Welt heute hoffnungslos in der Minderheit. Aber sie finden in den Kreisen der weltoffenen Menschen und der Intellektuellen eine immer breitere Zustimmung.“ (Was sagt der Koran zum Heiligen Krieg?, S. 89).
4. Die Ursache für den Unfrieden und die Grundlage des Friedens
Die Ursache für den Unfrieden liegt nach islamischem Verständnis darin, dass Menschen den Islam, das heißt den Glauben an Gott und das Leben nach Seinen Ordnungen, ablehnen. Das sind Leute, die (5,33) … gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und (überall) im Land eifrig auf Unheil bedacht sind…
Dass wir aber seit Adams Entscheidung, unabhängig von Gott zu leben, eigentlich als ganze Menschheit zu Feinden Gottes geworden sind (Röm 5,10), wird im Islam weder gesehen noch anerkannt. So fehlt auch die Einsicht, dass in diesem Zustand der Feindschaft mit Gott der Mensch von sich aus gar nicht friedensfähig ist und dass – bei allem guten Wollen – Friede nicht möglich ist, ohne Versöhnung mit Gott und ohne Erlösung von der Macht der Sünde. Weil das nicht erkannt wird, huldigen viele – allerdings längst nicht nur im Islam – der Illusion, durch den Kampf gegen das Böse und die Bösen, notfalls auch mit Gewalt, den Frieden herstellen zu können. Dem gegenüber bezeugt das Neue Testament, dass Jesus Christus Frieden gemacht hat an seinem Kreuz. Hier ist der Friede von Gott her in die Welt hineingekommen. Das Kreuz des Sohnes Gottes, an dem Gott die Sünde der Menschheit verurteilt und gerichtet hat, ist der Ort, an dem Er uns allen Seinen neuen Friedensbund anbietet.
Orientierung 2004-02; 15.04.2004
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