Mohammed hat sich zu seinen Lebzeiten immer wieder mit Paradies und Hölle beschäftigt. In vielen Koran-Suren werden Gesinnungsgenossen mit der Aussicht auf die Freuden im Paradies angespornt. Gegner, Scheinheilige oder Halbherzige werden mit den furchtbaren Qualen der Hölle gewarnt. Bis heute lassen sich junge Selbstmord-Attentäter und gewaltbereite Kämpfer mit bestimmten Paradieserwartungen locken, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Werden sich ihre Hoffnungen erfüllen?
Der Paradies-Garten und wer hineindarf
Der arabische Begriff für Paradies im Koran, ‚dschanna‘, bedeutet „Garten“. Das verwandte türkische Wort ‚cennet‘ steht auch für Paradies, veraltet für Garten. Das Paradies besteht aus mehreren Gärten (55,46ff.) und wird von Wärtern bewacht (39,73). Schon vor dem Eintritt ins Paradies werden den Gläubigen Häuser oder Gemächer versprochen (39,20; 29,58). Sie werden dort ewig leben und somit ewig vor dem Höllenfeuer verschont (44,56). In den Traditionsschriften wird die unvorstellbare Größe des Paradieses bildhaft beschrieben: „Es gibt einen Baum, in dessen Schatten ein Reiter hundert Jahre lang dahinreiten kann, ohne je den äußeren Rand des Schattens zu erreichen“ (Al-Buchari). Alle diejenigen werden belohnt, die „glauben und tun, was Recht ist“ (2,25), die „Gottesfürchtigen“ (52,17). Das Bild von der Waage spielt für die Beurteilung eine wichtige Rolle. „Wer (aufgrund seiner guten Werke) schwere Waagschalen hat“ (101,6ff.), dem wird in Aussicht gestellt, dem lodernden Feuer zu entgehen. Obwohl die guten Werke wichtig sind, ist der richtige Glaube das Hauptkriterium für Akzeptanz bei Gott. Die wahren Gläubigen dürfen für ewig in das Paradies, in die „Gärten der Wonne“ (56,26) oder in die „Gärten von Eden“ (19,61) eingehen.
Wie sieht es dort aus?
„Es wird lebensfrohe Gesichter geben, die mit dem Eifer, den sie bei ihren (guten) Werken gezeigt haben, zufrieden sind und sich in einem hochgelegenen Garten befinden, in dem sie kein (leeres) Gerede hören, und in dem es eine (ständig) fließende Quelle gibt, und dick gepolsterte (w. erhöhte) Ruhebetten, bereitgestellte Humpen, Kissen eines neben dem andern, und Teppiche, die da und dort (auf dem Boden) ausgelegt sind“ (88,8-16).
„Auf golddurchwirkten Ruhebetten liegen sie (die, die Gott nahe stehen) einander gegenüber, während ewig junge Knaben unter ihnen die Runde machen mit Humpen und Kannen (voll Wein?) und einem Becher (voll) von Quellwasser (zum Beimischen?), von dem sie weder Kopfweh bekommen noch betrunken werden und (mit allerlei) Früchten, was (immer) sie wünschen, und Fleisch von Geflügel, wonach sie Lust haben. Und großäugige Huris (haben sie zu ihrer Verfügung), (in ihrer Schönheit) wohlverwahrten Perlen zu vergleichen“ (56,15-23). „Wir geben ihnen großäugige Huris als Gattinnen“ (52,20).
In diesen Zitaten wird deutlich, dass Allah eine Fülle an bestem Essen und Trinken für seine Gläubigen verspricht. Die Qualität der Schalen und Becher spielt dabei auch eine Rolle: Silber (76,15-16) bzw. Gold (43,71). Darüber hinaus stellt er ihnen großäugige Huris als Gattinnen zur Verfügung. „Huri“ ist von dem arabischen Begriff „hûr“ abgeleitet und bedeutet: „diejenigen, in deren Augen das Weiße und das Schwarze stark hervortreten“ (Vermutung von Horovitz). Mit diesem Ausdruck wird auf die besondere Schönheit dieser Frauen hingewiesen. In Europa wurde bei „huri“ häufig an „Hure“ gedacht, ohne die eigentliche Wortbedeutung zu kennen. Die Frage dabei ist, ob an die Ehefrauen der Gläubigen (gereinigte Gattinnen, 2,25; 3,15; 4,57) zu denken ist, die mit ins Paradies eingegangen sind oder an nicht-irdische Wesen, die Gott als Jungfrauen extra geschaffen hat. Dass es sich nicht um die Ehefrauen handelt, deuten verschiedene Aspekte an: „Jungfrauen… heiß liebend und gleichaltrig“ (56,36-37), „mit schwellenden Brüsten“ (78,33), „Hyazinthen und Korallen vergleichbar“ (55,58), „die vor ihnen weder Mensch noch Dschinn (Geister) entjungfert haben“ (55,56).
Ein ausgesprochenes „Männerparadies“?
„Allah lässt keinen ins Paradies eingehen, ohne ihn mit 72 Partnerinnen zu verheiraten“ (Hadith). Aufgrund dieser und ähnlicher Paradies-Zitate bekommt der Leser den Eindruck, dass alle menschlichen Wünsche der Männer in Erfüllung gehen werden. In wenigen Suren, wie in 33,35, wird auch von muslimischen Frauen gesprochen. Die, die ihre Pflichten tun: „für sie hat Gott Vergebung und gewaltigen Lohn bereit“. Auch ihre frommen Nachkommen (Kinder) werden mit dem Paradies belohnt werden (13,23; 40,8). In Sure 43,70 werden Männer geradezu aufgefordert, „geht mit euren Gattinnen ins Paradies ein und ergötzt euch“. Josef Horovitz sieht eine geschichtliche Entwicklung: In der Frühzeit des Islam betonte Mohammed stärker die materiellen Genüsse des Paradieses – vielleicht in Anlehnung an die Schilderungen arabischer Dichter. Zu dieser Zeit machte er über den Verbleib der gläubigen Frauen noch keine Angaben. In späteren Paradiesschilderungen sprach er von Frauen und Kindern im Paradies und ließ die rein materiellen Genüsse etwas in den Hintergrund treten.
Welche Rolle spielt Allah im Paradies?
Zum Paradies gehören auch die Nähe und „das Wohlgefallen Gottes“, was der Koran selbst als höher bewertet als alle materiellen Genüsse (3,15; 9,72). Doch solche Zitate muss man neben allen anderen Aussagen fast mit der Lupe suchen. Dass die Gläubigen Gott sehen werden, könnte in Sure 75,22-23 vermutet werden: „es wird strahlende Gesichter geben, die auf ihren Herrn schauen“. Die Theologen sind unterschiedlicher Ansicht, ob damit tatsächlich das Anschauen Gottes gemeint ist oder nur bildlich das Erkennen Gottes. Ein Hadith (Al-Buchari und Muslim) besagt: „Der Prophet sagte: ‚Ihr werdet euren Herrn genauso sehen‘ (wie ihr den Vollmond sehen könnt)“. Unumstritten ist, dass sich Gott auf irgendeine Weise den Gläubigen zu erkennen geben wird. In Traditionsschriften wird deutlicher davon gesprochen: „Wünscht ihr euch, dass ich euch noch mehr gebe? Da zieht er den Vorhang weg. Siehe, ihnen ist nichts geschenkt worden, was ihnen lieber wäre als das Hinschauen zu ihrem Herrn“ (Muslim). Oder: „Der Herr erscheint über ihnen von oben. Er sagt: ‚Friede sei über euch, ihr Leute des Paradieses!‘ Er schaut zu ihnen, und sie schauen zu ihm…bis er ihnen verhüllt wird“ (Ibn Madja). Offenbar wird sich Allah auch im Jenseits willkürlich verhalten und selbst bestimmen, wem er sich zeigen wird und für wie viele Augenblicke.
Orientierung 2002-01; 15.02.2002
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