Laut islamischer Lehre verpflichtete Gott Adam und seine Kinder, sich ihm zu unterwerfen und ihm allein zu dienen (Sure 36,60-61). Jeder Mensch ist daher von Natur aus Muslim, der Islam die schöpfungsgemäße Religion (vgl. Sure 30,30). Weil die Menschen dennoch immer wieder vom Weg Gottes abwichen, sandte Gott Propheten. Sie waren Verkündiger seiner Botschaft an ein besonderes Volk oder auch an die ganze Menschheit. Den Propheten wiederum vermittelte der unendlich ferne Gott seine Botschaft durch Engel. So soll der Prophet Mohammed seine Offenbarungen jeweils durch den Erzengel Gabriel erhalten haben. Der Glaube an alle Propheten gehört zu den fundamentalen Glaubensartikeln des Islam.
Propheten in großer Zahl
Der Islam legt sich nicht darauf fest, wie viele Propheten Gott im Laufe der Menschheitsgeschichte berufen hat. Einige Koranstellen gehen davon aus, dass zu jedem Volk zu irgendeiner Zeit ein Warner gesandt wurde (Sure 13,7b; 35,24). Namentlich werden im Koran 25 Propheten erwähnt. 19 dieser Namen haben eine Entsprechung im Alten oder Neuen Testament: Adam, Noah, Abraham, Ismael, Isaak, Lot, Jakob, Josef, Moses, Aaron, David, Salomo, Elia, Elisa, Jona, Hiob, Zacharias, Johannes der Täufer und Jesus. Als letzter Prophet und Bote Gottes für die ganze Welt gilt Mohammed. Er wird als das „Siegel der Propheten“ bezeichnet. Damit wird behauptet, dass er alle Prophetien der Vergangenheit bestätigt, vollendet und abgeschlossen habe. Das arabische Wort für „Prophet“ ist „nabi“, was wörtlich „Verkünder“ bedeutet. Einige der Boten Gottes werden jedoch auch als „rasul“ (Gesandter) bezeichnet. Manche theologische Schulen des Islam sehen beide Titel als gleichbedeutend. Laut anderer Theologen wird als „rasul“ nur ein solcher Prophet bezeichnet, dem von Gott ein Buch oder ein neues Gesetz offenbart wurde.
Botschaft
Die Botschaften der Propheten können in den Einzelheiten voneinander abweichen – je nach dem Volk, zu dem ein Prophet gesandt wurde und je nach den Besonderheiten der kulturellen und geschichtlichen Situation. Die Grundaussage ihrer Verkündigung ist jedoch immer die gleiche: Der Ruf zur Umkehr von den Götzen zu dem einzigen Gott angesichts des herannahenden Gerichtes Gottes (Sure 21,25). Jeweils ist der Prophet mit seiner Botschaft auf Widerstand und Anfeindung gestoßen. Jeweils hat Gott jedoch ihn und seine Botschaft bestätigt (dazu gehört ein Beglaubigungswunder, das Gott durch jeden Propheten wirkt) und diejenigen, die im Unglauben verharrten, bestraft. Um die Glaubwürdigkeit seiner Propheten zu sichern, hat Gott ihnen laut heute anerkannter islamischer Theologie auch Sündlosigkeit geschenkt. Der Koran allerdings setzt durchaus die Sündhaftigkeit auch der Gesandten Gottes voraus (z. B.: Adam: Sure 2,35-38; Noah: 11,46-47; Abraham: 26,82-83; Mohammed: 40,55; 47,19; 48,1-2).
Nach dem Bilde Mohammeds
Das ständig wiederkehrende Schema in der Darstellung der Propheten vor Mohammed deutet auf ein wichtiges Merkmal der islamischen Lehre von den Propheten: Mohammed benutzt die alten Prophetengeschichten vor allem dazu, seine eigene Sendung zu rechtfertigen und zu untermauern (vgl. Sure 4,163-165): Seine Botschaft wird von manchen Mekkanern nicht geglaubt? Aber die gleiche Botschaft haben doch schon viele Propheten vor ihm verkündet. Mohammed wird verspottet? So ging es ja auch den Boten Gottes vor ihm (Sure 43,7) – und sie erlebten Gottes Strafgericht über die Spötter (Sure 43,8). Hinter diesem auf Mohammed gemünzten Schema verblasst der besondere Charakter der einzelnen Propheten. Das wird besonders deutlich, wenn man die Aussagen von Koran und Bibel über von beiden genannte Personen vergleicht. Im Gegensatz zu den sehr unterschiedlichen Charakteren der biblischen Propheten besitzen die koranischen Propheten kaum eigenständige Bedeutung. Sie sind „nach dem Bilde Mohammeds“ geschaffen. Der Islam stellt oft seinen „Glauben an alle Propheten“ als beispielhaft tolerant dar. Bei Licht betrachtet bleibt jedoch nur der sehr einseitige Glaube an einen Propheten (Mohammed) und der Glaube an seine Sicht des Prophetentums, der alle vorherigen Propheten einverleibt werden. Mohammed hat sozusagen alle Propheten vor ihm ohne deren Einverständnis zu Muslimen gemacht. Während in der Bibel eine Vielzahl von Zeugen mit ihrer unverwechselbaren persönlichen Färbung den einen Gott und seinen Erlöser bekanntmachen, tritt uns im Koran nur ein Zeuge entgegen. Allein durch seine Brille dürfen die Boten Gottes vor ihm gedeutet werden.
Jesus – einer von vielen
Besonders schmerzhaft ist für uns Christen, wie auch Jesus in dieses Schema der Bestätigung Mohammeds eingeordnet wird. Ausdrücklich wird betont, dass er „nichts anderes als ein Gesandter“ (Sure 5,75) wie viele vor ihm sei und „nichts als ein Diener“ (Sure 43,59). Seine Gottessohnschaft und Gottheit werden in aller Schärfe abgelehnt (Sure 4,171; 5,17+116; 9,30-32 und andere). Und doch findet sich selbst im Koran eine Ahnung davon, dass Jesus eine über alle anderen Propheten herausgehobene Stellung innehat. So wird er mit einigen herausragenden Titeln bezeichnet (z.B. „Messias“ – Sure 4,171 und andere; „Wort Gottes“ – 3,45; 4,171; „Geist von Gott“ – 4,171…). Über ein sündiges Verhalten Jesu (im Gegensatz zu anderen Propheten, s.o.) macht selbst der Koran nicht die geringste Andeutung.
Orientierung 1997-04; 15.09.1997
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