Um meinen Wert zu messen, brauche ich einen Wertmaßstab! Oft tragen wir solche Maßstäbe unbewusst mit uns herum; sie zeigen uns an, was wir selber wert sind und welchen Wert wir anderen Menschen zuschreiben können.
Wer in engeren Kontakt mit einer anderen Kultur kommt, wird jedoch (manchmal schmerzhaft) feststellen, wie relativ solche Maßstäbe sind. Was uns wertvoll erscheint, wird vielleicht im anderen Umfeld gar nicht geachtet – und wir begreifen erst allmählich, was und wer in der fremden Kultur etwas gilt.
Oft sind wir – ebenfalls unbewusst – der Meinung, unsere Wertmaßstäbe seien auch die des lebendigen Gottes. Das sollten wir jedoch einmal gründlich überprüfen. Ein Anfang könnte sein, anhand einiger Stellen aus den Briefen des Apostels Paulus herauszufinden, wie er den Wert des Mannes beschreibt.
Wertvoll durch Gnade?
Viele Männer sind der Überzeugung, sie seien nur dann wertvoll, wenn sie in ihrer Arbeit vorbildlich sind, wenn sie etwas leisten. Auch Paulus kann positiv von seiner Arbeit sprechen: In 1.Korinther 3,10 bezeichnet er sich als einen ‚weisen Baumeister‘. Im selben Brief vergleicht er sich später mit anderen Aposteln und ist überzeugt: „ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle” (15,10). In beiden Fällen rühmt er aber nicht sich selber wegen seiner Leistung, sondern nennt die Gnade Gottes als die Kraft, die ihn motiviert und befähigt hat. Ja, dieser Gnade verdankt er seine ganze Existenz: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin” (V. 10 a). Gottes Gnade verleiht ihm seinen Wert.
Wertvoll als „Sklave”?
Bei Männern erscheint mir der Drang, unabhängig zu sein, in der Regel stärker ausgeprägt als bei Frauen. Männer möchten ihr eigener Herr sein, vielleicht anderen befehlen können, aber nicht von anderen beherrscht werden. Paulus bezeichnet sich wiederholt als „Sklave Jesu Christi” (Röm 1,1; Gal 1,10; Phil 1,1). Dabei erweckt er nicht den Eindruck, unterdrückt zu werden oder fremdbestimmt zu leben. Er kann gleichzeitig sagen: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit” (Gal 5,1). Paulus hat sich freiwillig und bewusst der Herrschaft Jesu Christi unterstellt. Er will ihm gehören, weil Jesus Christus ihn aus der Herrschaft der Sünde und des Todes freigekauft hat. Er will ihm gehorchen und ihm dienen, weil das sein Leben mit Sinn erfüllt. Die lebendige Verbindung mit Jesus Christus ist für Paulus zur Lebensgrundlage geworden. Von Christus her erhalten Freiheit und Sklave-Sein ihre Bedeutung.
Wertvoll in Schwachheit?
Für viele gehört es zum Wesen eines „echten Mannes”, dass er keine Schwäche zeigt. Umso erstaunlicher ist es, wie offen Paulus den Gläubigen in Korinth schreibt, er sei ihnen „in Schwachheit und mit Furcht und vielem Zittern” (1.Kor 2,3) begegnet. In seinem zweiten Brief an dieselbe Gemeinde kann er noch weiter gehen: „ich habe Wohlgefallen an Schwachheiten, an Misshandlungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark” (2.Kor 12,10). Ihm ist deutlich geworden: in unserer menschlichen Schwachheit kann Gottes Kraft zur Vollendung kommen (V. 9). Nicht unsere eigene Kraft, Klugheit oder Leistung (die ja vor Gottes Größe alle wie nichts erscheinen) machen uns wertvoll; sondern das, was Gott durch einen Menschen in dessen Schwachheit bewirken kann, das hat Bestand und Wert.
Wertvoll aufgrund der „Position”?
Nicht wenige messen den Wert eines Menschen an seiner gesellschaftlichen Stellung oder seinem Amt. Es ist auch nicht zu bestreiten, dass eine bestimmte Position einem Menschen ein gewisses Maß an Autorität verleiht – ob nun der Dirigent eines Chores Ton und Tempo vorzugeben hat, ob ein Vorgesetzter anordnet, wie eine Arbeit erledigt werden soll, oder ob ein Kanzler oder Präsident die Politik eines Landes bestimmt. Das gilt auch im Bereich der christlichen Gemeinde: Paulus äußert in seinem Brief an die Gemeinde in Thessalonich die Überzeugung: „wir hätten als Christi Apostel gewichtig auftreten können” (1.Thess 2, 7). Davon ließ er aber weder sein Selbstbewusstsein noch sein Verhalten prägen. Weil er durch Jesus Christus Gottes Liebe erfahren hatte, bestimmte diese Liebe sein Leben; so hat er die Gläubigen in Thessalonich „wie ein Vater seine Kinder ermahnt und getröstet” (1.Thess 2, 11). Um die Art seiner Liebe und der seiner Mitarbeiter zu charakterisieren, wählt er in Vers 7 sogar einen Vergleich aus dem Leben einer Frau: „wir sind in eurer Mitte zart gewesen, wie eine stillende Mutter ihre Kinder pflegt” – als wolle er sagen: Gottes Liebe kann einen Mann dazu bewegen, „mütterlich” zu werden.
Wertvoll durch Jesus Christus
Menschen können ihren Wert ableiten von ihrer nationalen Herkunft: Araber, Deutscher, Türke… bzw. der sozialen Stellung ihrer Familie – oder von dem, was sie selber erreicht haben: Reichtum, Position, Einfluss, Ehre. Das kann sie stolz machen – oder deprimieren, und es reißt in der Regel Gräben auf: Um den eigenen Wert zu behaupten, müssen oft andere herunter gesetzt werden.
Wenn Menschen in Jesus Christus ihren Mittelpunkt gefunden haben, sehen die Auswirkungen ganz anders aus: Gottes Gnade, die mir meinen Wert verleiht, ist auch für jeden anderen Menschen da. Nicht Position und Machtansprüche bestimmen das Verhalten, sondern Jesus Christus als Erlöser und Herr, als Freund und Vorbild motiviert uns durch seine Liebe. Deshalb kann ich nicht bei dem stehen bleiben, was ich meine, erreicht zu haben: bei mir und allen Mitchristen, bei Europäern und Orientalen, bei Männern und Frauen ist noch viel Wachstum und Veränderung nötig, damit die Liebe unseres Herrn uns immer mehr prägen kann. – Wenn wir überzeugt sind, dass Gottes Gnade und Liebe uns Menschen einen unendlichen Wert verleihen, lasst uns Ihm dafür danken – und miteinander lernen, allen Menschen mit Liebe zu begegnen!
Orientierung 2002-05; 15.02.2000…
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