Wenn euch eure Kinder fragen …(2. Mose 12,26)

Ein Fest zu feiern, hebt heraus aus dem Alltagstrott. Es stiftet Gemeinschaft zwischen den Generationen. Es kann auch helfen, Brücken zu bauen zwischen Einheimischen und Fremden. Das Wichtigste ist aber wohl, dass wir erinnert werden, was – oder wer – unser Leben ausfüllt und trägt.

 

Zu den schönsten Kindheitserinnerungen gehören für viele von uns sicherlich solche, die mit christlichen Festen verbunden sind. Auch wenn in späteren Jahren manchmal der Eindruck vorherrschend wurde, dass das ganze „Drumherum” den eigentlichen Sinn der Feste überwuchert: viele von uns haben gewiss schon erlebt, wie in solchen Festzeiten das Singen von Weihnachtsliedern uns geholfen hat, über das Wunder der Menschwerdung anbetend zu staunen, wie Lesungen aus der Leidensgeschichte Jesu in Passionsandachten uns angesprochen haben, wie wir in einem Ostergottesdienst neu froh geworden sind über unseren auferstandenen Herrn…

 

Feiern zur Erinnerung

In der Thora (5 Bücher Mose) hat Gott angeordnet, dass Sein Volk Feste feiern soll: zum Dank für die Ernte (2. Mo. 23,16) und zur Erinnerung an die Befreiung aus Ägypten (2. Mo. 23,15). Mindestens viermal wird mehr oder weniger ausführlich über die Feste geredet (2. Mo. 23 / 3. Mo. 23 / 4. Mo. 28+29 / 5. Mo. 16). Es ist schon erstaunlich, dass Gott Feste so wichtig nimmt!

Besonders dem Passahfest in Verbindung mit dem Fest der ungesäuerten Brote kommt dabei eine große Bedeutung zu: „du sollst für den HERRN, deinen Gott, das Passah schlachten … Sieben Tage sollst du ungesäuerte Brote dazu essen, Brot des Elends – denn in Hast bist du aus dem Land Ägypten ausgezogen – damit du an den Tag deines Auszugs aus dem Land Ägypten denkst alle Tage deines Lebens.” (5. Mo. 16,2.3)

Erinnerung ist hier nicht ein Schwärmen von „guten alten Zeiten”. Was damals geschah, ist ja nicht etwas Vergangenes. Das Volk kann „heute” dankbar seine Freiheit feiern und sich freuen über die Tatsache, dass es weder in der Sklaverei bleiben musste noch gar völlig ausgelöscht wurde – dass es heute leben darf!

Das hat es den Taten Gottes, Seinem Eingreifen in die Geschichte zu verdanken. Gott hat „handgreiflich” Seine Existenz, Seine Macht und Seine Anteilnahme am Geschick Seines Volkes bewiesen – das darf nie vergessen werden! Erinnerung macht dankbar, führt zum Lob Gottes und stärkt den Glauben in Zeiten, wenn Gott verborgen erscheint.

Durch den Rückblick auf Gottes Befreiungstat wird der Blick auf Ihn selber gerichtet: Er war, ist und bleibt der Retter und Befreier Seines Volkes. Die Gemeinschaft mit diesem Retter-Gott soll das ganze Leben Seines Volkes prägen. So erinnert Er sie auch vor den 10 Geboten: „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus herausgeführt habe. Du sollst keine andern Götter haben neben mir!” – Als Befreier, nicht als „Sklavenhalter” gibt Gott Gebote; als Lebensretter gibt Er gute Lebensregeln zum Schutz des Lebens, der Freiheit und des Friedens.

 

Freude und Gemeinschaft

Gottes Liebe zeigt sich auch darin, dass Er Festfreude will, ja, direkt gebietet: „du sollst dich vor dem HERRN, deinem Gott, freuen”! (5. Mo. 16,11; auch V. 14) In diese Festfreude soll die ganze Hausgemeinschaft mit einbezogen werden: „du und dein Sohn und deine Tochter und dein Sklave und deine Sklavin” (ebd.) sowie die Personen, die keinen eigenen Landbesitz erhalten hatten, weil sie in besonderer Weise für den Dienst Gottes berufen waren („der Levit, der in deinen Toren wohnt”); vor allem sollen die nicht übersehen werden, die selten Grund haben sich zu freuen und die Gemeinschaft in besonderer Weise brauchen: „der FremKinderde und die Waise und die Witwe, die in deiner Mitte wohnen … Und du sollst daran denken, dass du Sklave in Ägypten warst, und sollst diese Ordnungen bewahren und tun.” Die Freude beim gemeinsamen Feiern soll nicht abgekoppelt werden von ihrem Anlass: sie soll Freude „vor dem HERRN, deinem Gott” sein. Miteinander Gott zu loben, erinnert an den Inhalt des Festes und gibt ihm seinen eigentlichen Sinn und seine Tiefe.

 

Erklären und erzählen

Die Feste sprechen aber nicht einfach für sich selber. Ihre Bedeutung muss erschlossen werden, indem erzählt wird, an was sie erinnern sollen. So gibt Mose in 2. Mo. 12,26+27 die Anordnung weiter: „wenn euch eure Kinder fragen: „Was bedeutet dieser Dienst (= die zuvor beschriebene Gestaltung des Passahfestes) für euch?”, dann sollt ihr sagen: „Es ist ein Passahopfer für den HERRN, der an den Häusern der Söhne Israel in Ägypten vorüberging, als er die Ägypter schlug, unsere Häuser aber rettete.”
– 2. Mose 13, 8 bedeutet wörtlich: „erzähle deinem Sohn …!” So soll anhand des Festes und seiner Gebräuche von Generation zu Generation weitergegeben werden, was Gott getan hat und wer Er ist.

 

Zum Gedächtnis des Erlösers

Unsere christlichen Feste werden nirgends im Neuen Testament angeordnet. Nur beim letzten Passahmahl kurz vor seiner Kreuzigung sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Dies tut zu meinem Gedächtnis!” (Luk. 22,19; vgl. 1. Kor. 11,24f) Ganz bewusst verband er das Abendmahl mit dem Passahfest. Denn auch in seinem Leiden und Sterben geht es um eine Befreiungstat: um unsere Erlösung aus der Sklaverei der Sünde.

Diese Tatsache ist eigentlich das Thema aller christlichen Feste: Wir feiern zu Weihnachten die Geburt des Erlösers, an Karfreitag seine Erlösungstat am Kreuz, zu Ostern die göttliche Bestätigung dieser Erlösung durch die Auferweckung, an Himmelfahrt die Erhöhung des Erlösers und zu Pfingsten die Gründung der Gemeinde des Erlösers. So sind alle diese Feste im Grunde gute Gelegenheiten, die frohe Botschaft von unserer Erlösung zu bezeugen. – Deshalb wäre es schön, wenn wir Formen entwickelten, auch in unseren Häusern diese Feste so zu feiern, dass etwas von ihrem Inhalt hör- und erfahrbar wird. Wir könnten z.B. im Rahmen der Familie Bibeltexte vorlesen, die zu dem entsprechenden Fest passen, oder uns Zeit nehmen, neben Essen, Trinken, Gesprächen und Spielen Gott mit Psalmen, Liedern oder Gebeten zu loben, so dass unsere Kinder und unsere Gäste erfahren, warum wir das Fest feiern – und vielleicht sogar wir selber seinen Sinn noch tiefer verstehen lernen.

Orientierung 2002-05; 15.02.2000…

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