Mein Leben als Terrorist

Sohn der Hamas – unter diesem Titel erschien erstmals 2010 die Biographie Mosab Hassan Yousefs, Sohn von Scheich Hassan Yousef, einem der sieben Gründer der Hamas.

Mosab erzählt in seiner Biografie über seine Kindheit, Armut, Machtmissbrauch, Folter und Tod – viel Schreckliches, das er in seiner Heimat erlebt hat. Er berichtet von seinen Aufenthalten in israelischen Gefängnissen und seiner Anwerbung für den israelischen Geheimdienst.

Was mich jedoch am meisten fasziniert hat, ist seine Hinwendung zu Jesus Christus und der damit verbundene Ausbruch aus der Spirale von Hass und Gewalt in seinem Leben. Einige Auszüge aus seinem Buch, das jetzt wieder lieferbar ist, drucken wir mit freundlicher Genehmigung des Verlages ab.

Noch bevor ich 21 Jahre alt wurde, sah und erlebte ich Dinge, die niemand je sehen und erleben sollte: bittere Armut, Machtmissbrauch, Folter und Tod. Ich habe Verhandlungen zwischen den Führern des Nahen Ostens, die weltweit für Schlagzeilen sorgten, hinter den Kulissen miterlebt. Ich genoss das Vertrauen der höchsten Führungsebene der Hamas, und ich nahm an der sogenannten Intifada teil. Ich wurde in den Tiefen von Israels meist gefürchteter Strafanstalt gefangen gehalten. Und wie Sie sehen werden, traf ich Entscheidungen, die mich in den Augen von Menschen, die ich sehr liebe, zum Verräter machten. (Seite 13)

Mein Vater hatte uns gelehrt, jedem offen und liebevoll zu begegnen, selbst denen, die nicht das Gleiche glaubten wie wir. Ich schaute herunter auf die Bibel, die auf meinem Schoß lag. Mein Vater hatte eine Bibliothek von 5.000 Büchern, darunter auch eine Bibel. Als Jugendlicher hatte ich einmal die interessanten Passagen im Hohelied Salomos gelesen, aber weiter war ich nie gekommen. Dieses Neue Testament allerdings war ein Geschenk. Da Geschenke in der arabischen Kultur geschätzt und respektiert werden, beschloss ich, dass es das Mindeste wäre, es einmal zu lesen.

Ich begann vorne, und als ich zur Bergpredigt kam, dachte ich: Wow, dieser Jesus ist wirklich beeindruckend! Alles, was er sagt, ist so schön! Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Jeder Vers schien eine tiefe Wunde in meinem Leben zu berühren. Es war eine sehr einfache Botschaft, aber irgendwie hatte sie die Kraft, meine Seele zu heilen und mir Hoffnung zu geben.

Dann stieß ich auf den Satz: „Ihr habt gehört, dass es im Gesetz von Mose heißt: Liebe deinen Nächsten und hasse deinen Feind. Ich aber sage: Liebt eure Feinde: Betet für die, die euch verfolgen! So handelt ihr wie wahre Kinder eures Vaters im Himmel.“ (Mt 5,43-45)

Das war es! Diese Worte trafen mich wie ein Blitz. Noch nie hatte ich so etwas gehört, aber ich wusste: Das war die Botschaft, nach der ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte. Jahrelang hatte ich darum gerungen zu wissen, wer mein Feind war. Doch plötzlich wurde mir klar, dass die Israelis nicht meine Feinde waren. Es waren auch weder mein Onkel Ibrahim noch der junge Soldat, der mich mit dem Gewehrkolben geschlagen hatte. Ich sah auf einmal, dass weder Nationalität, Religion noch die Hautfarbe definieren, wer mein Feind war. Ich begriff, dass wir alle die gleichen Feinde haben: Gier, Stolz und all die schlechten Gedanken und die Finsternis des Teufels in uns. (Seite 133f)

Auf der einen Seite glaubte ich zwar an die Lehren von Jesus, andererseits konnte ich immer noch nicht glauben, dass er wirklich Gott sei. Trotzdem hatten sich meine Maßstäbe plötzlich und drastisch verändert, weil sie von der Bibel anstatt vom Koran beeinflusst wurden.

Ich las weiter in meinem Neuen Testament und ging in die Bibelgruppe. Ich besuchte Gottesdienste und dachte: Das ist nicht das formelle Christentum, das ich in Ramallah sehe. Das hier ist echt. Die Christen, die ich früher gekannt hatte, unterschieden sich nicht von den traditionellen Muslimen. Sie schrieben sich zwar Religion auf die Fahne, doch lebten sie nicht.

Ich fragte mich, was die Palästinenser wohl tun würden, wenn Israel tatsächlich verschwände – wenn alles nicht nur wieder so wäre wie vor 1948, sondern wenn die Juden das Heilige Land verließen und wieder in alle Himmelsrichtungen zerstreut würden. Und zum ersten Mal kannte ich die Antwort. Wir würden uns immer noch streiten. Wegen nichts und wieder nichts. Wegen eines Mädchens ohne Kopftuch. Darüber, wer der Stärkste und Wichtigste war. Wer die Regeln machte und den besten Platz bekam.

Es war Ende 1999. Ich war 31 Jahre alt. Mein Leben begann sich zu verändern, und je mehr ich lernte, desto mehr verwirrte es mich. „Gott, mein Schöpfer, zeig mir die Wahrheit“, betete ich Tag für Tag. „Ich bin durcheinander. Ich weiß nicht weiter. Und ich weiß nicht, welchen Weg ich einschlagen soll.“ (Seite 135f)

Die Botschaft von Jesus – liebe deine Feinde! – gerade diese Botschaft hat mich endlich befreit. Es war nicht mehr wichtig, wer meine Freunde und wer meine Feinde waren; ich sollte sie alle lieben. Und ich konnte eine liebevolle Beziehung zu Gott haben, der mir helfen würde, andere zu lieben. Diese Art von Beziehung zu Gott ist nicht nur die Quelle meiner Freiheit, sondern auch der Schlüssel zu meinem neuen Leben. Wie viele Nachfolger von Jesus auch, habe ich meine Sünden bekannt und um Vergebung gebeten. Ich weiß, dass Jesus der Sohn Gottes ist, der Mensch wurde, für unsere Sünden starb, von den Toten auferstand und zur rechten Hand des Vaters sitzt. Ich bin getauft. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich es gerade so durch das Eingangstor in das Reich Gottes geschafft habe.

Ich habe immer noch mit der Welt, meiner menschlichen Natur und dem Teufel zu kämpfen. Mein christlicher Glaube ist noch nicht frei von falschen Vorstellungen und von Irrwegen. Ich kämpfe mit Problemen, die mir manchmal unüberwindbar erscheinen. Beten Sie für mich, dass ich im Glauben wachse und nicht zu viele Fehler mache bei meinem Bemühen, wie ein Kind Gottes zu leben. (Seite 255f)

Aus Orientierung: M # spezial 2|2023

Sohn der Hamas
Mein Leben als Terrorist

Paperback, 304 Seiten
Art.-Nr. 396231

14,95 €