Welcher ,eine‘ Gott?

Der anglikanische Theologe Mark Durie hat 1999 das Buch „Revelation? Do We Worship the Same God?” („Offenbarung? Beten wir denselben Gott an?” – bisher unseres Wissens nur in English erschienen) veröffentlicht, in dem er die grundlegende Frage bearbeitet: Wer ist Gott? Beten Christen und Muslime denselben Gott an?

Um diese Frage zu beantworten, untersucht er das Verständnis von Jesus, dem Heiligen Geist und Gott in Christentum und Islam. Der Leser erhält eine knappe Darstellung muslimischer und christlicher Argumente. Als Theologe und Wissenschaftler, der sich mit der Sprache und Kultur der Acehnesen, eines muslimischen Volkes im Norden Sumatras, Indonesien, beschäftigt hat, bringt Mark Durie gute Voraussetzungen für eine solche Untersuchung mit. Darüber hinaus erfordern die Themen, die er anspricht, im gegenwärtigen Zusammenhang viel geistige Integrität und Mut. Er stellt die verschiedenen Aspekte seiner Untersuchungen mit Scharfsichtigkeit und großer Objektivität dar, warnt aber davor, sein Buch als „das letzte Wort” zu sehen.

Duries Fragen erwachsen aus der koranischen Behauptung, Jesus sei ein muslimischer Prophet namens Isa – ein Prophet, dessen Geburt, Leben, Lehre und Tod jedoch im völligen Widerspruch zum Zeugnis der Evangelien und biblischen Theologie stehen. Der Koran – der für Muslime das buchstäbliche Wort Allahs ist, das nicht angezweifelt werden kann – beansprucht, dass Mohammeds prophetische Botschaft die gleiche sei wie die, die in der Thorah und den Evangelien zum Ausdruck kommt. Weil es aber viele Widersprüche zwischen dem Koran und der Bibel gibt, sieht der orthodoxe Islam die Schriften des Judentums und Christentums als Fälschungen der ursprünglichen und einzigen islamischen Offenbarung an. (Diese Beschuldigung liefert auch die lehrmäßige Rechtfertigung für den diskriminierenden Rechtsstatus von Juden und Christen, die unter dem Islam leben.)

Als grundlegend betont Durie die Lehre des Koran, dass der Islam die erste, ursprüngliche Religion sei, die dem Judentum und Christentum vorausging. Diese beiden werden als rechtsungültige Überlieferungen abgelehnt, da sie verfälschte Versionen des Islam seien. Alles, was in diesen Religionen wahr ist, kommt aus ihren islamischen Wurzeln. Folglich sollten Juden und Christen im Gehorsam zu ihren eigenen Religionen zum Islam „zurückkehren” und Mohammed als Prophet anerkennen.

Dies schließt ein, schreibt Durie, dass jemand, der sich gegen Mohammed stellt, kein wahrer Christ bzw. kein wahrer Jude ist. So betrachtet beziehen sich die koranischen Verse, die wohlwollend über Juden und Christen sprechen, auf die, die das Licht sehen werden und feststellen, dass es der Islam ist. Wenn jedoch der Islam im Judentum und Christentum letztlich nur sich selbst (an-)erkennt, kann man sich fragen, ob diese Theologie des Ersetzens nicht geradezu die Verneinung des Grundsatzes der Anerkennung anderer Religionen ist.

Viele Christen meinen, das Christentum stehe dem Islam näher als dem Judentum wegen der gemeinsamen Verehrung von Jesus (Isa) und seiner Mutter Maria. Sie werden erstaunt sein, von Durie zu erfahren, dass nach den Hadithen (Berichten über Taten und Aussprüche, die Mohammed zugeschrieben werden, die mit theologischer und gesetzgeberischer Autorität ausgestattet sind) Isa, der muslimische Jesus, am Ende das Christentum zerstören wird.

Durie erklärt weiterhin das unterschiedliche Verständnis von Prophetie in Bibel und Koran. Während Christen die jüdischen Schriften als Grundlage ihres Glaubens und ihrer Praxis akzeptieren, als Texte, die in den Kirchen in der ganzen Welt gelesen werden, missachten Muslime die Bibel. Sie erheben den Anspruch, der Islam sei das gemeinsame Erbe von Juden, Christen und Muslimen, und Juden und Christen sollten daran arbeiten, dieses Erbe wieder zu erlangen. Durie kommentiert, in diesem Prozess zerstöre die Islamisierung von Jesus und den hebräischen Patriarchen und Propheten beide, Christentum und Judentum.

Dieser Gedanke, entspringt aus der koranischen Feststellung, Abraham sei ein islamischer Prophet gewesen

In einem Kapitel diskutiert Durie auch die Idee vom „Glauben Abrahams”, die heutzutage als Rahmen für den Dialog in Mode gekommen ist. Dieser Gedanke, so zeigt er auf, entspringt aus der koranischen Feststellung, Abraham sei ein islamischer Prophet gewesen, und aus der zentralen islamischen Lehre, dass der Islam die eine Offenbarung war, die der Menschheit von Allah durch die biblischen Gestalten und durch Jesus gegeben wurde. (Für Durie deuten die vielen ”Glauben Abrahams”-Konferenzen rund um die Welt auf eine Islamisierung des Dialogs zwischen den Religionen hin.) Wie sollen Christen auf diesen Anspruch, der ein grundlegender Punkt der islamischen Lehre ist, antworten bzw. reagieren? Durie entwickelt verschiedene Argumente, die auf einer vernünftigen Analyse der Geschichte und der Texte basieren.

In seiner Schlussfolgerung schreibt Durie, dass zwischen Islam und Christentum tief greifende Gegensätze im Blick auf ihr Verständnis über das Wesen Gottes bestehen. Diese haben weit reichende Folgen, die sich auf Einstellungen, Ethik und Politik auswirken.

Duries Buch hätte zu keiner passenderen Zeit kommen können. Er bietet eine ausgewogene Analyse, indem er die wichtigen Ähnlichkeiten der beiden Glaubensüberzeugungen anerkennt, ohne dabei die wirklichen Unterschiede zu verwischen oder die schwierigen Streitfragen zu ignorieren. Dadurch geben Duries Überlegungen eine wesentliche und grundlegende Anleitung, die Christen befähigen wird, sich in einem Dialog zu engagieren, der auf der Wahrheit aufbaut. Dies ist jetzt umso dringlicher, als der „kulturelle Dschihad” bereits beginnt, im Westen den freien Ausdruck von Gedanken und Glaubensüberzeugungen zu behindern und das ganze ethische Fundament des Juden-Christentums zu untergraben.

Nach einer englischen Rezension (durch uns übersetzt, stark gekürzt und überarbeitet) von Bat Yeor, der Autorin von Studien über die Lebensbedingungen von Juden und Christen im Zusammenhang mit der Dschihad-Ideologie und der Scharia. Kürzlich erschien u.a.: „Islam und Dhimmitude: Where Civilizations Collide” und „Euriba: The Euro-Arab Axis”.

 

Orientierung 2002-05; 15.02.2000

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