Die Geschichte von Kudret
Verzweifelt und ohne Hoffnung liegt sie wach und denkt daran, wie sie am besten ihr Leben beenden kann. Ihre Kraft ist zu Ende. Alles hat sie bewältigt, aber jetzt geht es nicht mehr weiter.
Damals, als ihre Mutter plötzlich starb, war sie erst sechs Jahre alt und hatte noch drei Geschwister. Die neue Frau des Vaters war erst 13, bekam auch Kinder und konnte nicht für alle sorgen. Als dann noch die Oma starb, fühlte Kudret sich erneut verlassen. Aber sie sorgte für die Geschwister, woher war eigentlich ihre Kraft gekommen?
Als sie selbst mit 16 Jahren verheiratet wurde, war sie nach wenigen Jahren selbst Mutter von vier Kindern. Ihr Mann zog nach Deutschland zum Geld verdienen und entfremdete sich völlig von der Familie. Kudret erfuhr eines Tages, dass er eine zweite Frau genommen und auch mit ihr eine Familie gegründet hatte. Wieder war sie verlassen. Woher nahm sie die Kraft für ihren Alltag als alleinerziehende Mutter von inzwischen fünf Kindern? Woher kam ihre unermüdliche Hilfsbereitschaft und die Liebe ihren Mitmenschen gegenüber? Sie wusste es selbst nicht.
Noch schwerer wurde es, als ihr Mann es wagte, mit der „neuen Familie“ in dasselbe Haus einzuziehen. Kudret und die Kinder hatten viel zu erdulden, bis sie in eine größere Stadt zogen. Dort arbeitete sie fleißig, nähte, putzte und verkaufte eigenes Gemüse. Bald war sie in der neuen Umgebung bekannt als ehrliche und fleißige Frau, deren Rat man gern annahm. Noch immer bewahrte sie Zuversicht und konnte ihren Kindern Hoffnung und Sicherheit vermitteln.
Inzwischen hatte der Sohn geheiratet und eine Familie gegründet, auch die Töchter machten Ausbildungen und zwei von ihnen waren schon verheiratet. Da geschah das Schreckliche: Kudrets Schwiegertochter, erst 20 Jahre alt und Mutter von drei kleinen Kindern, starb plötzlich. Das war zu viel, ihr geliebter Sohn stand nun mit drei kleinen Kindern allein da und wieder war es Kudret, die stark sein und helfen musste.
Das Leben hielt noch mehr Herausforderungen bereit. Ihr Mann stand auf der Straße und brauchte Hilfe. Kudrets neue Schwiegertochter lehnte sie ab und letztlich entschied sich auch ihr einziger Sohn gegen seine eigene Mutter, als er vor die Wahl gestellt war.
Wegen politischer Unruhen hatte die Familie inzwischen ihre Heimat verlassen und war nach Deutschland gekommen. Hier im fremden Land und ohne Sprachkenntnisse, konnte Kudret nicht mehr weiter. In einer Nacht hatte sie einen besonderen Traum, in dem Jesus Christus selbst zu ihr sprach, obwohl sie ihn noch nicht kannte. Ihre älteste Tochter war inzwischen zum Glauben an Jesus gekommen, hatte es aber ihrer Familie noch nicht gesagt. Sie brachte ihrer Mutter einen Jesus-Film mit, der sie sehr berührte.
Der Wendepunkt in Kudrets Leben kam, als sie mit ihrer Tochter eine christliche Osterkonferenz besuchte. Dort hörte sie die Einladung Jesu: „Komm zu mir, ich vergebe dir, ich gebe dir Ruhe!“ Ja, sie wusste nur zu gut, dass auch sie eine Sünderin war und Vergebung brauchte! Noch nie im Leben war sie so sicher und so entschieden gewesen wie jetzt. Vor allen Anwesenden (etwa hundert Personen) ging sie nach vorne, kniete nieder und bekannte Gott unter Tränen ihre Schuld. Eine einfache, anatolische Frau mit Kopftuch, wer beachtete sie schon? Würde Gott sie annehmen? Ja, denn Er sah ihr Herz an, ihr verwundetes und verzweifeltes Herz. Er sah auch ihren Wunsch, alle Schuld zu bekennen und davon gereinigt zu werden.
Voller Frieden war ihr Herz jetzt, und große Freude erfüllte sie. Erst jetzt verstand Kudret, wer sie schon von ihrer Kindheit an getragen und ihr Kraft in allen Situationen geschenkt hatte. Gott hatte ihr Leben mit allem Auf und Ab in seiner Hand und hatte sie zu sich gezogen. Er gab ihr ein neues und ewiges Leben, um IHN zu ehren.
Bis ins hohe Alter erzählte sie allen davon, denen sie begegnete, in Deutschland und in der Türkei. Einige hörten gerne zu, einige lachten über sie, manche verspotteten sie auch. Bis zu ihrem Heimgang zu ihrem himmlischen Vater betete sie für ihre Familie, ihre Kinder und Enkel, von denen schon jetzt viele neues, ewiges Leben in Jesus Christus gefunden haben.
Gott hat Kudret gesehen und berufen und sie hat Spuren für die Ewigkeit hinterlassen.
Welche Spuren bleiben von Dir?
Eine Tochter von Kudret hat ein kleines Buch über das Leben ihrer Mutter in Türkisch geschrieben:
Ayse Koyun, İşte Benim Annem!
Türkisch Art.-Nr. 8682810
Ayse Koyun, Das ist meine Mutter!
Deutsch Art.-Nr. 2442810