Die türkische Stiftung Türkiye Diyanet Vakfi möchte mit einem Buch des Autors Dr. M. Fatih Kesler mit dem Titel „Juden und Christen im erhabenen Koran“ Muslimen zu einer islamischen Beurteilung von Juden und Christen verhelfen. Der Präsident der Religionsbehörde, des Diyanet, die in der Türkei die Oberaufsicht in Religionsfragen hat, ist Ehrenvorsitzender der Diyanet Vakfi.
Kesler bezeichnet in seinem Buch Christen und Juden als ungläubige Heiden, als „Kafir“. Seine antijüdischen Aussagen gipfeln in Sätzen wie: „… haben die meisten von ihnen [Juden] einen bösen Charakter und deshalb sind sie direkt oder indirekt in Gründe für Unruhen dieser Welt verwickelt, in Aufstände, Intrigen, Zerstörungen, kalte Kriege, bewaffnete Kriege, Streitereien, Verbannungen und Vertreibungen. Die Geschichte zeigt, dass sie bei diesen unangenehmen Ereignissen stets als Elemente vertreten waren“. Durch die Ablehnung des Islam „haben die Juden die Eigenschaften als Mensch verloren und stehen sogar noch unter den Tieren“, zitiert Kesler einen Koranausleger. Kesler fasst die Denkweise von Muslimen folgendermaßen zusammen: „Nach Ansicht des Volkes Gottes [also der Muslime] werden die Juden den Zorn Gottes erfahren und die Irregeleiteten sind die Christen“. Deshalb ist beiden Glaubensgruppen die Hölle bestimmt. Nachdem Juden die Bekehrungsaufrufe Mohammeds dreimal abgewiesen haben, soll Mohammed gesagt haben, dass er sie aus dem Land vertreiben wird: „In einem Land kann es nicht zwei Gebetsrichtungen [Religionen] geben“.
Muslime sollten in Bezug auf Christen wie in folgenden zwei Suren denken: „Ungläubig sind diejenigen, die sagen: „Gott ist Christus, der Sohn der Maria“ (Sure 5,17). Und in Sure 9,30 heißt es: „Die Juden sagen: ‚Uzair [d. h. Esra] ist der Sohn Gottes.‘ Und die Christen sagen: ‚Christus ist der Sohn Gottes.‘ Das sagen sie nur so daher. Sie tun es [mit dieser ihrer Aussage] denen gleich, die früher ungläubig waren. Diese gottverfluchten [Leute] [wörtlich: Gott bekämpfe sie]! Wie können sie nur so verschroben sein!“ Die überwiegende Mehrheit der Christen und Juden seien als Ungläubige anzusehen.
Außerdem plädiert Kesler dafür, dass Juden und Christen die islamische Kopfsteuer bezahlen müssen und Muslime möglichst nicht aus ihrem Geschirr essen sollen.
Das besprochene Buch: Kur’an-ı Kerim’de Yahudiler ve Hıristiyanlar – Kur’an-ı Kerim’de Ehl-i Kitap, Doç. Dr. M. Fatih Kesler, Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları; Veröffentlichung Nr. 124; wissenschaftliche Serie Nr. 31 (İlmi Eserler Serisi); 6. Auflage, Ankara, 2007, ISBN: 975-389-121-0; 07.06.Y.0005.124 (Quelle: Institut für Islamfragen, mk, 15.03.2010)
Kommentar der Redaktion: Die türkische Religionsbehörde DIB könnte mit ihren 88.000 vollzeitlichen Angestellten und ihrer Vertretung in Deutschland durch die DITIB mit ca. 400 Mitarbeitern einen spürbaren Beitrag zu Toleranz und Integration leisten. Solche Bücher der „Türkiye Diyanet Vakfı“ (die der DIB nahe steht) sind jedoch dem Ziel, Integration zu fördern, abträglich. Da das Buch auch in Deutschland verkauft wird, ist sein Einfluss auf türkischsprachige Mitbürger nicht zu unterschätzen. Es stellt sich die Frage, ob dies nur ein Ausrutscher ist oder ob hier das wahre Gedankengut der DIB und DITIB „versehentlich“ sichtbar wird.
Interessant ist außerdem: das besprochene Buch nimmt keinerlei Bezug auf die mehrfache Äußerung im Koran, Muslime sollten keine Freundschaft mit Nichtmuslimen, z. B. Christen und Juden pflegen. Diese Verse sind in der späteren, zweiten Hälfte von Mohammeds öffentlichem Leben befohlen worden, als er um die Loyalität seiner Anhänger fürchten musste. Diese fühlten sich einerseits mit ihm, andererseits mit jüdischen Geschäftsleuten und Mitbewohnern der Stadt Medina verbunden und wollten sich nicht von ihnen trennen. Warum hält Kesler diese wichtige Anweisung zurück und kommentiert sie nicht? Es bleiben offene Fragen.
Orientierung 2011-01; 01.02.2011