Wer mit Muslimen im Gespräch ist, wird sich vielleicht fragen, warum Muslime nie die Zehn Gebote erwähnen. Sie sprechen über viele Vorschriften und Gebote, die uns teilweise fremd sind, aber die Zehn Gebote scheinen sie nicht zu kennen. Stimmt das?
Die Zehn Gebote der Bibel
Für uns Christen sind die Zehn Gebote aus dem Alten Testament sehr wichtig. Sie kommen zweimal in den Mosebüchern vor. (2.Mose 20,2–17 und 5.Mose 5,6–21)
Durch diese Wiederholung wird ihre Bedeutung unterstrichen. Mose hat sie direkt von Gott erhalten: „Und als der HERR mit Mose zu Ende geredet hatte auf dem Berge Sinai, gab er ihm die beiden Tafeln des Gesetzes; die waren aus Stein und beschrieben von dem Finger Gottes.“ (2.Mose 31,18)
Weil Jesus Christus in der Bergpredigt die Gültigkeit der Zehn Gebote betont und vertieft hat (Mt 5,17), sind sie auch für Christen sehr wichtig. Er warnt eindringlich davor, Gottes Gebote aufzuheben. (Mt 5,19)
Wichtige Dinge lassen sich für jeden einprägsam kurz zusammenfassen. Jesus Christus konzentrierte diese Zehn Gebote noch weiter auf zwei Hauptaussagen:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.“ (s.a. 5.Mose 11,1) Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. (s.a. 3.Mose 19,18) In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Mt 22,37-40) Damit lassen sich die ersten fünf Gebote (einschließlich Eltern ehren – die mit ihrer Autorität auf Gottes Autorität hinweisen) auf der senkrechten Ebene zwischen Gott und Mensch zusammenfassen mit: Gott lieben! Die zweiten fünf Gebote auf der horizontalen zwischenmenschlichen Ebene lassen sich zusammenfassen mit: den Nächsten lieben! (Anmerkung: Die Zählung der Gebote kann abweichen; für eine Übersicht siehe wikipedia.de zu „10 Gebote“)
Das Gesetz gilt als Erziehungsinstrument Gottes auf Jesus hin. (Gal 3,24) Es soll Menschen dazu bringen, ihre Schuld und Sündhaftigkeit zu erkennen. Sie können dabei in ihrer Verzweiflung erfassen, dass sie sich nicht selbst helfen können. Dann erst finden sie zu dem, der sie retten kann: Jesus Christus.
Gebote im Koran
Der Koran enthält viele Verbote und Gebote. In Verbindung mit den Überlieferungsschriften (Hadithen) bilden sie die Grundlage für die Scharia. Im Koran findet sich keine Sammlung wie die Zehn Gebote. Eine Aufzählung der Glaubensartikel steht in Sure 2,177 und eine ethische Aufzählung ohne klaren Zusammenhang in Sure 17,22-38. Wer die Zehn Gebote sucht, wird diese nur verstreut im ganzen Koran finden. Deshalb sprechen uns Muslime auch nicht auf die Zehn Gebote an. Interessant ist aber, dass der Koran bestätigt: Mose erhielt Tafeln mit den Geboten: „Als Wir Mose das Buch und die Unterscheidungsnorm zukommen ließen, damit ihr der Rechtleitung folgt.“ (Sure 2,53)
Allerdings ist nicht klar, wie viele Tafeln es gewesen sind; es sollen aber laut arabischem Text („al-alwahi“ = Plural ab 3; Singular für 1 und Dual für 2) mindestens drei Tafeln bei der Erstübergabe gewesen sein. Wohingegen die Bibel von zwei Steintafeln spricht. (2.Mose 32,15) Der Koran sagt weder, was auf den Tafeln geschrieben war, noch in welchem Verhältnis diese Tafeln (Sure 7,145.150.154) zum Buch Mose standen, das auch im Koran erwähnt wird (siehe Zitat oben).
Von den Zehn Geboten, die im Koran nur verstreut zu finden sind, fehlen ganz: Das Sabbat-Gebot und das Verbot, Gottes Namen zu missbrauchen. Muslime werden im Gegenteil dazu aufgefordert, die Namen Gottes so oft wie möglich herzusagen und bei jeder Gelegenheit als Beschwörungsformel zu benutzen (siehe Minikurs ‚Gebet im Islam‘). Daraus ergibt sich auch der starke Missbrauch des Gottesnamen in der islamischen Welt (Anmerkung: auch im christlichen Bereich wird er missbraucht z. B. mit unpassenden unüberlegten Ausrufen wie: „Mein Gott!“, „Jesus-Maria“ oder Ähnlichem).
Das Sabbat-Gebot wird im Islam ganz aufgehoben, da die Juden es laut Koran nicht gehalten haben und Gott sie deshalb verflucht haben soll. „O ihr, denen das Buch zugekommen ist, glaubt an das, was Wir (Allah) hinabgesandt haben zur Bestätigung dessen, was bei euch ist, bevor Wir … sie verfluchen, wie Wir die Gefährten des Sabbats verflucht haben…“ (Sure 4,47)
Zwar sollen Muslime sich am Freitag kurz zum Freitagsgebet in der Moschee versammeln, aber vor und nach dem Gebet geht der normale Alltag weiter (außer in der Türkei und anderen muslimischen Ländern, die den Sonntag als Feiertag übernommen haben). Deshalb haben Muslime keinen Ruhetag, was sicher zu einem stressvolleren Leben beiträgt. Das Thema Ruhetag scheint Muslimen Unbehagen zu bereiten. Der Betreiber der islamischen Seite submission.org z. B. zählt dieses Gebot einfach nicht auf, obwohl er behauptet, die Zehn Gebote aufzulisten.
Im Koran bestätigt Gott, die Gebote durch Mose den Menschen gesandt zu haben. Z. B.: „Und Wir schrieben ihm auf den Tafeln über alle Dinge, eine Ermahnung und eine ins Einzelne gehende Darlegung aller Dinge.“ (Sure 7,145) Der Vers: „Wir haben dem Mose neun deutliche Zeichen zukommen lassen“ (Sure 17, 101), bezieht sich nicht auf die 10 Gebote, sondern auf die 10 Plagen, wobei der Koran nur von neun spricht.
Weil der Koran die Gebote an Mose erwähnt und sich die meisten verstreut im Koran auffinden lassen, können Christen diese in der Begegnung mit Muslimen nennen. Dadurch ergibt sich vielleicht beim Gesprächspartner eine gewisse Selbsterkenntnis. (Röm 7,7) Nur der Heilige Geist kann Muslimen und Nichtmuslimen helfen, ihre Sünden zu erkennen und zu bekennen. Das ist eine Voraussetzung für die Annahme der guten Botschaft von Jesus Christus. (s.a. Mk 1,15)
Die Gebote und Verbote im Koran stehen im Zusammenhang mit anderen Aussagen, die bei einer exakten Interpretation zu berücksichtigen wären. Zwischen den Geboten, wie wir sie in der Bibel finden, und ihrer Entsprechung im Koran gibt es eine Reihe von Unterschieden, auf die wir hier jedoch nicht näher eingehen können. Entscheidender sind allerdings auch die grundlegenden Unterschiede: Nach der Bibel sind die Gebote nicht einfach gesetzliche Vorschriften, sondern haben ihre Grundlage im rettenden Eingreifen Gottes und sollen uns Menschen dazu anleiten, zu Gott umzukehren und Seine Vergebung in Anspruch zu nehmen.
Orientierung-M 2011-04; 01.09.2011