Ein Apostel Paulus für Afghanistan

17.12.2021
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In seinem Buch “Begehrenswerter als Gold” schreibt Christy Wilson: Als Betty und ich 1951 nach Afghanistan gingen, beteten wir darum, dass Gott einen modernen Apostel Paulus dort heranwachsen lassen möge. Wir hätten nie gedacht, dass Gott unser Gebet in der Person eines blinden Jungen beantworten würde. 1964 trat ein 14-jähriger Junge ins NOOR-Institut für Blinde in Kabul ein. Wir wollen ihn Paulus nennen.

Trotz Blindheit einer der hellsten Köpfe

Sogar mit dieser Behinderung war Paulus wahrscheinlich der hellste Kopf, den ich je kennengelernt habe. Mit 14 Jahren hatte er bereits den ganzen Koran in der Originalsprache auswendig gelernt. Er durchlief die ersten sechs Klassen im Blindeninstitut in drei Jahren.
Während er die Blindenschule besuchte, eignete er sich außerdem Englisch an, indem er Radiosendungen hörte und wiederholte. Er hörte auch christliche Sender und begann, Fragen über das Gehörte zu stellen, z. B. „Was ist mit stellvertretender Sühne gemeint?“

Bekehrung durchs Radio

Schließlich teilte er Betty mit, dass er durch das Hören dieser Sendungen Jesus als seinen persönlichen Retter angenommen habe. Sie fragte ihn, ob ihm bewusst sei, dass er dafür getötet werden könne, weil das islamische Gesetz die Todesstrafe über jeden verhängt, der den Islam verlässt. Er antwortete: „Ich habe die Kosten überschlagen und ich bin bereit, für Jesus zu sterben, weil er schon am Kreuz für mich gestorben ist“.

Schulzeit

Paulus war der erste Blinde, der die öffentliche Schule in Afghanistan zusammen mit den sehenden Schülern besuchte. Er hatte einen kleinen Kassettenrekorder, auf dem er alles aufnahm, was der Lehrer sagte. So konnte er die Lektionen immer und immer wieder hören und sie gründlich durcharbeiten. Auf diese Weise wurde er der beste Schüler. Wer eine Klasse nicht geschafft hatte, konnte am Ende der dreimonatigen Sommerferien zum zweiten Mal eine Prüfung ablegen. Paulus lernte den Stoff der nächsten Klasse während der Ferien und nahm dann an der Prüfung teil mit den Schülern, die durchgefallen waren. So durchlief er die Oberschule in Rekordzeit, indem er jedes Jahr zwei Klassen absolvierte.

Partnerin fürs Leben

Er begann dann, am Calvin-Institut zu studieren, weil er die biblische Lehre dieses großen Reformators kennen lernen wollte. Paulus verliebte sich in ein blindes afghanisches Mädchen, das ebenfalls am Calvin-Institut studierte. Die beiden beschlossen zu heiraten. So viel wir wissen, war das die erste christliche Hochzeit zweier Afghanen aus muslimischem Hintergrund.

                                                                                           Studium

Er sagte mir, dass er auch Islamisches Recht studieren wolle, um Christen verteidigen zu können, die wegen ihres Glaubens verfolgt würden. Deshalb begann er sein Studium an der Universität Kabul und schloss es mit einem akademischen Grad ab. Paulus übersetzte mit der Hilfe einer begabten finnischen Missionarin das Neue Testament von iranischem Persisch in Dari.
Weil zahlreiche blinde Studenten wie Paulus Christen geworden waren, schloss die muslimische Regierung in Afghanistan die beiden Blinden-Institute. Betty und ich mussten innerhalb von drei Tagen das Land verlassen, nachdem wir dort 22 Jahre lang Dienst getan hatten.

Die Zerstörung des Kirchengebäudes in Kabul

Die muslimische Regierung plante, das Gebäude der christlichen Kirche in Kabul zu zerstören, nachdem sie vorher die Genehmigung gegeben hatte, es zu bauen. Ein deutscher christlicher Geschäftsmann, Hans Mohr, ging zum Bürgermeister von Kabul, um ihn zu bewegen die Anweisung, die er gegeben hatte, zurückzunehmen. Herr Mohr sagte zu ihm: „Wenn Ihre Regierung dieses Gotteshaus anrührt, wird Gott sie stürzen.“ Dies erwies sich als eine prophetische Aussage. Soldaten, Polizisten, Arbeiter und Planierraupen begannen, die Kirche niederzureißen. Anstatt dass sich die Gemeinde ihnen entgegen stellte, bot sie Tee und Gebäck an.

Die afghanische Regierung erhielt einen Bericht der Geheimpolizei, dass es in Afghanistan eine Untergrundkirche gebe. Weil sie diesen Ausdruck nicht verstanden, gruben sie mehr als drei Meter tiefer als das Fundament und suchten die Untergrundkirche. Am 17. Juli 1973 hatten die Muslime das Kirchengebäude restlos zerstört und beendeten das Ausgraben der Fundamente. In derselben Nacht wurde die afghanische Regierung durch einen Putsch gestürzt! Die Afghanen, die schnell dabei sind, in Ereignissen ein Omen zu sehen, sagten, dass Jesus Christus vom Himmel herab kam und die Regierung stürzte, weil diese Seine Gemeinde angegriffen hatte.

Seit 227 Jahren war Afghanistan eine Monarchie gewesen. In dieser Nacht wurde es unter Präsident Daoud zur Republik. 1978 wurde die Republik durch einen Putsch der Kommunisten gestürzt, dem die russische Invasion kurz nach Weihnachten im Jahr 1979 folgte. Millionen von Afghanen mussten als Flüchtlinge ihr Land verlassen. Einer davon sagte mir: „Während der ganzen Zeit, nachdem die Regierung diese christliche Kirche zerstört hatte, hat Gott unser Land gerichtet.“

Verhaftet und gefoltert

Unter den Kommunisten wurde das Blindeninstitut in Kabul wieder eröffnet und Paulus‘ Leitung anvertraut. Er leistete gute Arbeit, es neu zu organisieren. Außerdem erlangte er ein Diplom in Pädagogik an der Universität Kabul, indem er das erste Kurzschrift-System für Blindenschrift in Dari entwickelte.

Er wurde unter Druck gesetzt, der kommunistischen Partei beizutreten. Aber er weigerte sich. Schließlich wurde Paulus unter falschen Anschuldigungen verhaftet. Im Gefängnis versuchten die Kommunisten, mit Elektroschocks Gehirnwäsche bei Paulus durchzuführen. Die Elektroden hinterließen Brandnarben an seinem Kopf. Aber sie konnten mit dieser grausamen psychologischen Behandlung, die das Ziel hatte, seinen Verstand zu zerstören, nicht Paulus‘ Geist brechen. Er bekam dann eine Gelegenheit, im Gefängnis Russisch zu lernen. Auch diese Sprache meisterte er. Endlich, im Dezember 1985, ließen ihn die Kommunisten frei.

In Pakistan

Nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis sah er sich nach Pakistan geführt. Ich lud ihn ein, an das Gordon Conwell-Seminar für Theologie zu kommen, um Hebräisch zu lernen. Er arbeitete nämlich gerade an einer Übersetzung des Alten Testaments in Dari.

Entführt und getötet

Am 23. März 1988 wurde Paulus von der Hisbe Islami entführt. Er wurde beschuldigt, ein CIA-Agent zu sein, weil er Englisch konnte, ein KGB- oder Khad-Spion, weil er Russisch sprach, und ein Abtrünniger vom Islam, weil er Christ war. Offensichtlich war er aus Pakistan hinausgebracht und in Afghanistan inhaftiert worden. Durch Verwandte von Paulus‘ Frau haben wir jetzt die gesicherte Information, dass Paulus als Märtyrer gestorben ist.


Diese Geschichte ist gekürzt dem Buch “More to be Desired than Gold”,
True Stories told by Christy Wilson, entnommen.
Hier können Sie sein bewegendes Zeugnis ungekürzt lesen: Ein Apostel Paulus für Afghanistan.

Dr. Christy Wilson arbeitete mit seiner Frau Betty 22 Jahre in Afghanistan. Er war ein großartiger Geschichtenerzähler.
In seinem Buch „More to be Desired than Gold“ hat er uns 100 Kurzgeschichten aus seinem Dienst hinterlassen.
Sie decken das ganze Spektrum des Lebens und des Evangeliums ab. Es beleuchtet die muslimische Welt in Zentralasien und die Kosten, die das Ausleben des Glaubens in diesem Kontext verursacht.

Leider ist dieses Buch nur noch antiquarisch erhältlich. Es wurde auch nicht in Deutsch übersetzt.

More to be Desired than Gold
A collechtion of True Strories told by Christy Wilson

Verlag Gordon-Cornwell Seminary
3. Auflage 1996, South Hamilton, USA

 

aus dem #spezial 4 / 2021. Sie dürfen diesen Artikel kopieren unter Angabe der Herkunft: www.orientierung-m.de